Kapitel 1
Falls wir unsere Eltern und unseren Geburtsort selbst wählen – was ich glaube –, habe ich eine gute Wahl getroffen. Als mittleres von drei Kindern und einzige Tochter von Marjorie Chambers und Gordon Ball Maclean wuchs ich in einer liebevollen Atmosphäre auf. Mein Vater, ein Bankier, war ruhig und humorvoll. Er war die Art von Persönlichkeit, an die andere sich wandten, wenn sie in Schwierigkeiten waren. Ich verehrte ihn, und er schwärmte für mich. Mutter war das aktive Herz in unserem Haushalt. Als sie starb, sagte eine Tante, wie ich mich erinnere, dass meine Onkel die liebste ihrer fünf Schwestern verloren hätten. »Wenn deine Mutter den Raum betrat, fühlte sich jeder augenblicklich besser.« Ich nehme an, dass alle kleinen Kinder ihre Eltern für die wunderbarsten Menschen der Welt halten. Ich empfinde es als großen Segen in meinem Leben, dass ich sie, als ich selbst älter wurde, weiterhin bewunderte und erlebte, dass auch andere sie verehrten.
Auf Drängen meiner Mutter entschied sich mein Vater, auf eine Beförderung zu verzichten, um in unserer Heimatstadt Guelph, hundert Kilometer westlich von Toronto, Kanada, zu bleiben. Dies bedeutete, dass wir das hübsche viktorianische Zuhause nicht verlassen mussten, in dem er selbst bereits aufgewachsen war. Es bedeutete auch, dass wir nicht viel Geld hatten. Ich bin dankbar, dass sich meine Eltern so entschieden haben, denn dies ermöglichte mir, im stabilen Umfeld einer Kleinstadt und naturnah aufzuwachsen. Unser Haus war von ausgedehnten unbebauten Flächen umgeben, und ich konnte die angrenzenden Wälder durchstreifen, wann immer ich Lust dazu hatte. Diese Wälder empfand ich als meine eigene Welt nicht nur, weil ich anscheinend der einzige Mensch war, der dort jemals unterwegs war, sondern weil ich all die Wildblumen und Bäume kannte und liebte, die dort wuchsen.
Ich kann mich nicht erinnern, in all den zwanzig Jahren, die ich in Guelph wohnte, jemals außer Hauses gegessen zu haben. Es war eine Zeit, in der sich das Leben der Menschen um ihr Zuhause drehte: provinziell, aber sehr geborgen und unterstützend. Die Tage und Wochen entfalteten sich in einem verlässlichen Rhythmus und Gleichmaß. Meine Schule war zwei Kilometer entfernt; diesen Weg ging – oder, häufiger: lief – ich vier Mal am Tag, da zum Mittagessen alle nach Hause kamen. Auch zur Stadtbücherei durfte ich allein gehen, und dies tat ich fast täglich. An den Abenden versammelten wir uns in der hinteren Stube, wo das Porträt meines Urgroßonkels (George Brown, Vater der Kanadischen Konföderation, Gründer und Führer der Liberalen Partei, Verleger derToronto Globe)von seinem Platz über dem Kamin auf uns herabblickte. Charlie McCarthy, George Burns und Gracie Allen unterhielten uns im Radio, während meine Brüder und ich unsere Hausaufgaben machten und unsere Mutter stopfte. An Sonntagen waren das Kino und alle Geschäfte geschlossen. Morgens machten wir uns fein, um den Gottesdienst in der presbyterianischen Kirche zu besuchen, wo mein Vater Kassenmeister war, den Nachmittag verbrachten wir in der Sonntagsschule, und das zwanglose Abendessen der Familie wurde nicht im Esszimmer, sondern in der hinteren Stube eingenommen – einer Abweichung von der wöchentlichen Routine, die ich besonders liebte.
Auch die Jahreszeiten boten vorhersehbare Freuden. Im Herbst rechten wir das Laub zu großen Haufen zusammen, in die wir begeistert hineinspra