1. KAPITEL
Der kühle Frühlingsregen rieselte auf Nick Campbell, während er mit dem ungeöffneten Briefumschlag in der Hand auf die perlweiße Urne seiner Mutter hinabsah, die über und über mit roten Rosen bedeckt war.
Am liebsten hätte er den Umschlag gar nicht erst aufgemacht. Sollte das Geheimnis, das er enthielt, doch einfach bei Lori Campbell bleiben! Dabei hatte sie ihm vor ihrem Tod anvertraut, dass noch zwei weitere Briefe folgen würden, die an ihn adressiert waren.
So viele Geheimnisse, so viele merkwürdige Nachrichten …
Eigentlich war ihm das völlig egal. Der Tod seiner geliebten Mutter überschattete jede andere Regung in ihm und ließ keine weiteren Gedanken zu. Vor ihrem Tod hatte er ihr jedoch versprechen müssen, die Briefe zu lesen. Vor fünf Tagen war sie dann gestorben – aber noch immer hatte er es nicht fertiggebracht, den Brief zu öffnen.
Er hatte schlichtweg keine Zeit dafür gehabt. Es gab so viel zu erledigen, so viel zu besprechen und zu organisieren, dass ihm schließlich die Energie fehlte, sich darum zu kümmern.
Aber jetzt spürte er, dass der Moment gekommen war, an dem er sein Versprechen einlösen musste. Seit fünf Tagen trug er den Umschlag mit sich herum. Obwohl er voller böser Vorahnungen war, musste er einen Moment nutzen, in dem keine Termine und Verabredungen auf ihn warteten und er sich darauf einlassen konnte, die Nachricht zu lesen, die sie ihm hinterlassen hatte.
Nick seufzte. Dann riss er sich vom Anblick der Urne los und öffnete das Siegel auf dem zerknitterten Briefumschlag, zog das Papier heraus und begann zu lesen.
Unfassbar! Schock, Zorn und Verwirrung wechselten sich auf seinem Gesicht ab. Noch einmal las er den Brief, diesmal langsamer. Vielleicht hatte er sich ja getäuscht.
Wie sollte er das alles gleichzeitig verkraften? Ihren Tod und dann das? Das war definitiv zu viel, und er war nicht bereit, es zu akzeptieren.
Als er vor einigen Wochen definitiv gewusst hatte, dass sie bald sterben würde, hatte er sich völlig in sich selbst zurückgezogen und den Gedanken, zukünftig ohne sie zu sein, erfolgreich verdrängt.
Noch dazu, wo es das Resort gab, das sie mit seiner Hilfe angefangen hatte zu renovieren.
Und das ihn zu Silvia Lane geführt hatte.
Eine ganze Nacht lang war Silvia Lane, Architektin und Bauleiterin für das Resort, daraufhin mehr als nur eine flüchtige Bekannte gewesen.
Leidenschaftlich und verdammt sexy hatte er sie in lebendiger Erinnerung. So sexy, dass ihm noch jedes Detail ihrer Begegnung gegenwärtig war. Ihr langes rotes Haar, das über seine Haut streifte, ihr freches Grinsen, bevor sie sich aus ihrem engen Kleid befreite und es nachlässig auf den Boden fallen ließ. Und vor allem würde er nie vergessen, wie sie seinen Namen schrie, als sie den Höhepunkt erreichte.
In den vergangenen vier Wochen hatte sich diese Nacht wieder und wieder wie ein Film in seinen Gedanken abgespult. Am Morgen danach waren sie sich dennoch einig gewesen, dass es keine weiteren Nächte geben würde.
Sie war neu in der Stadt und gerade dabei, sich eine Karriere aufzubauen. Eine Beziehung zu einem Kunden war hierfür jedoch alles andere als eine gute Werbung. Und Nick brauchte wahrhaftig keine weiteren Komplikationen in seinem Leben.
Aber als es ihm schle