1. KAPITEL
Wie alles anfing
Eigentlich hat alles schon lange vor den Ferien angefangen, ich kann mich noch genau an den Moment erinnern. Es war kurz nach Ostern, wir saßen abends am Tisch und waren gerade mit dem Abendessen fertig. Ich erinnere mich sogar noch, was es gegeben hatte, einen Kartoffel-Zucchini-Auflauf aus Mamas neuester Koch-Zeitschrift „Volles Rohr Öko“. Der Auflauf sollte, wie Mama uns vor dem Essen vorlas, „eine neue Epoche des Geschmackserlebnisses einleiten“. Wo in anderen Familien ein Tischgebet gesprochen wird, werden bei uns Rezepte verlesen, und zwar mindestens genauso feierlich. Das versprochene Geschmackserlebnis fand ich persönlich aber nicht so umwerfend. Wegen mir musste eigentlich keine neue Epoche anfangen.
Wir saßen also nach dem Abendessen am Tisch und ich wartete schon auf den Startschuss zum Aufstehen. Der kommt bei uns immer von Papa, er murmelt dann ein kaum hörbares „Also dann …“, und schon ist er zur Tür raus. Diesmal blieb Papa aber einfach sitzen und sagte gar nichts. Irgendwas war da merkwürdig. Ich schaute zu Mama – sie hatte eine geheimnisvolle Miene aufgesetzt und rutschte auf ihrem Stuhl herum.
„Und jetzt lasst uns mal den Sommerurlaub planen“, sagte sie unvermittelt. So verschwörerisch wie sie dabei Papa anschaute, war schon klar, dass die beiden sich etwas ganz Besonderes ausgedacht hatten. Sommerferien, das hieß bei uns so lange ich denken kann: drei Wochen in dem hellblauen Ferienhäuschen am Staffelsee. Nicht, dass ich jetzt meckern wollte, wir hatten es immer schön am See, aber ich habe mir schon manchmal gedacht, dass wir auch mal ganz woanders hin gehen könnten, irgendwo weiter weg. Besonders dann, wenn meine Mitschüler nach den Ferien in der Klasse von Safaris in Afrika, Trekking-Touren durch Nepal und Schnorcheln im Roten Meer erzählten und auf den Handys die Bilder dazu zeigten.
„Wir haben uns gedacht …“ Mama schaute wieder zu Papa und machte eine Pause. Wahrscheinlich wollte sie es damit extra spannend machen. „Sag du, Reinhard!“
„Nein du, Solvejg, du hast das doch alles so schön ausgesucht.“
„Also wir dachten, dass wir mal in den Süden fahren könnten …“
Süden, das klang schon mal gut. Obwohl der Staffelsee ja eigentlich auch im Süden lag.
„... ans Mittelmeer …“
Das klang jetzt schon viel besser.
„... nach Griechenland – da scheint jeden Tag die Sonne.“
„Und vor allem“, übernahm Papa mit einem beglückten Gesichtsausdruck, „gibt es dort Kulturschätze ohne Ende zu besichtigen. Griechenland ist die Wiege der europäischen Kultur – das habt ihr doch bestimmt schon im Geschichtsunterricht gehabt. Und ihr habt bestimmt schon von der Akropolis gehört – und dem Parth