2. KAPITEL
Ellie fand selbst den Weg nach draußen, während Noah an seinem Schreibtisch sitzen blieb. Er hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, sofort jemanden zu finden, den er einstellen konnte. Stattdessen war er von Anfang an davon ausgegangen, dass sich die Suche hinziehen und schwierig gestalten würde. Das Letzte, was er erwartet hätte, war jedoch jemand, der sich mit Push-up-BH und kurzem Rock für die Stelle im Kirchenbüro bewarb. Uah, dachte er, als er spürte, dass sein Körper schon alleine auf die Vorstellung reagierte. Er schob den Stuhl zurück, um es sich bequemer zu machen, und versuchte, seinen Körper zu ignorieren. Die Natur spielte einem manchmal ziemlich merkwürdige Streiche.
Als Noah an die letzten Wochen und Ellies entmutigten Blick dachte, geriet er ins Grübeln. Nach dem Tod seiner Frau Merry, die vor ein paar Jahren gestorben war, hatte ihn der Kummer überwältigt. Sie hatten eine gute Ehe geführt, und Noah empfand den Verlust als niederschmetternd. Merrys Tod hatte ihn mit dreißig zum Witwer gemacht. Damit hatte er nie im Leben gerechnet. Danach war er sich ein Jahr lang vorgekommen wie ein einsamer Kieselstein in einer leeren Dose. Doch dann hatte er sich, dank Georges Hilfe, im theologischen Seminar eingeschrieben.
Wegen seines Vaters, den er für einen böswilligen Heuchler hielt, hatte Noah eine extreme Aversion gegen dieses Amt gehegt. Jasper Kincaid war ein halbberühmter Prediger, der seinen eigenen Fernsehkanal in Columbus, Ohio, betrieb. Große Kirche, großes Geld, große Bekanntheit, Ruhm, Macht. Doch für Sohn und Ehefrau hatte Jasper nur kühle Gleichgültigkeit übrig – an guten Tagen. Viel öfter waren sie allerdings Opfer seiner schlechten Laune und seiner Schuldzuweisungen gewesen. Noah wollte nie in die Fußstapfen seines Vaters treten.
»Hör auf, die Menschen danach zu beurteilen, wie sie mit ihrem jeweiligen Glauben umgehen, und studiere besser deinen eigenen Glauben«, hatte George ihm geraten. »Es hat dich ganz schön viel gekostet, so weit zu kommen.«
In der Tat. Noch als Teenager war Noah vor seinen Wurzeln in Ohio an die Nordwestküste des Pazifiks geflohen. Er hatte überall, wo er Arbeit fand, gearbeitet und sich schließlich in die Fischindustrie, den Ozean und die Einkommensmöglichkeiten, die sie ihm boten, verguckt. Sein Studium betrieb er nebenbei – manchmal nur halbtags, manchmal aber auch ganztags.
Seine Mutter, die zu loyal und gutherzig gewesen war, um seinem Vater die Stirn zu bieten, hatte immer Kontakt zu Noah gehalten und ihn sogar heimlich besucht. Sie hatte ihm Geld geben wollen, um seine Ausbildung zu unterstützen, aber Noah hatte es abgelehnt. Seine Mutter war Merry nur einmal in ihrem Leben begegnet. Noah hatte gesehen, wie sie sich die Tränen fortgewischt hatte, weil sie so glücklich gewesen war, dass er eine so liebevolle und fröhliche junge Frau gefunden hatte. Zwei Jahre später war seine Mutter wiedergekommen, aber diesmal, um bei Merrys Begräbnis dabei zu sein.
Noah und sein Vater hatten in den letzten siebzehn Jahren nur einmal miteinander gesprochen, das war bei der Beerdigung von Noahs Mutter vor einem Jahr gewesen. Noah versp