1. Kapitel
Corrie McAfee machte sich Sorgen, und sie wusste, dass es ihrem Mann Roy genauso ging.
Wie sollten sie sich unter den gegebenen Umständen auch keine Sorgen machen? Seit Juli hatte Roy, der pensionierter Polizist und nun Privatdetektiv war, eine Reihe anonymer Postkarten erhalten. Die Nachrichten darauf klangen zwar nicht offen bedrohlich, aber auf jeden Fall beunruhigend.
Auf der ersten Karte, die ans Büro geschickt worden war, stand etwas von Dingen, die er möglicherweise bereuen würde. In den folgenden Wochen waren weitere Karten eingetroffen. Corrie hatte sie so oft gelesen, dass sie jede einzelne auswendig kannte. Auf der ersten stand:
JEDER HAT ETWAS ZU BEREUEN. GIBT ES ETWAS, VON DEM SIE SICH WÜNSCHEN WÜRDEN, SIE KÖNNTEN DIE ZEIT ZURÜCKDREHEN UND ALLES ANDERS MACHEN? DENKEN SIE DARÜBER NACH.
Keine Unterschrift, weder auf dieser noch auf den anderen Karten. Eingetrudelt waren sie in unregelmäßigen Abständen, abgeschickt von verschiedenen Orten. Die kryptischen Botschaften gingen Corrie immer wieder durch den Kopf. Sie war heute, im Oktober, genauso schlau wie zu der Zeit, als sie die erste Postkarte gelesen hatte.
Die Kaffeemaschine gab ein letztes keuchendes Gurgeln von sich und verkündete damit, dass der Kaffee fertig war. Für einen Moment lenkte das Geräusch sie von ihrer Grübelei ab – lange genug, um aus dem großen Bürofenster zu schauen und den Ausblick auf die Innenstadt von Cedar Cove zu genießen. Es hatte Vorteile, als Roys Sekretärin und Assistentin zu arbeiten, manchmal und gerade jetzt aber auch Nachteile. Mitunter war Unwissenheit wirklich ein Segen, und die jetzige Situation gehörte auf jeden Fall in diese Kategorie. Sie könnte erheblich ruhiger schlafen, wenn sie nie von den geheimnisvollen Postkarten erfahren hätte.
Und dennoch – selbst wenn es Roy gelungen wäre, sie ihr zu verheimlichen, hätte sie doch davon erfahren, denn die letzte Nachricht war persönlich überbracht worden, direkt an ihre Haustür. Nicht ans Büro wie alle anderen, sondern an ihre Privatadresse. Spätabends war jemand vorbeigekommen und hatte die Veranda ihres Hauses betreten. An diesem Abend hatten sie zufällig Gäste zum Essen eingeladen. Als sie ihre Gäste verabschieden wollten, stellten sie fest, dass ein Unbekannter ihnen einen Korb mit Obst und einer schriftlichen Nachricht vor die Haustür gestellt hatte. Corrie überlief es eiskalt, wenn sie daran dachte, dass dieser Unbekannte ihre Privatadresse kannte.
»Ist der Kaffee endlich fertig?«, rief Roy aus seinem Büro zu ihr hinüber. Anscheinend wartete er bereits ungeduldig.
»Immer langsam mit den jungen Pferden – ich komme ja schon!« Corrie hatte gar nicht so schroff reagieren wollen. Normalerweise sah es ihr gar nicht ähnlich, so aufbrausend zu sein. Diese untypisch heftige Reaktion verriet, wie sehr sie die Ereignisse der letzten Monate mitnahmen. Seufzend schenkte sie den Kaffee in