: Michael Blake
: Zwischen Gerechtigkeit und Gnade Eine Ethik der Migrationspolitik
: wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
: 9783534746316
: 1
: CHF 10.70
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: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Haben liberale Staaten das Recht, unerwünschte Außenstehende auszuschließen, oder sollten alle Grenzen offen sein? Falls Staaten das Recht haben, auszuschließen, nach welchen ethischen Prinzipien wird bestimmt, wer Aufnahme findet? Das Buch bietet Orientierung für eine politische Moral der Migration. Michael Blake vertritt eine plausible neue Darstellung des Rechts auszuschließen und stellt die gegenwärtigen globalen Realitäten der Freizügigkeit infrage: offene Grenzen für wenige Auserwählte und geschlossene Grenzen für die Mehrheit, bei der es sich oft um die am stärksten marginalisierten Glieder einer Gesellschaft handelt. Über die Fragen von Recht und liberaler Justiz hinaus bedenkt er, als welche Art von Gemeinschaft wir uns verstehen wollen. Dabei kann Barmherzigkeit eine zentrale Kategorie der moralischen Analyse des Migrationsthema sein: Gnade und Recht sollten bei der Migrationspolitik sowie in der öffentlichen Debatte gleichermaßen bedacht werden.

Michael Blake ist Professor für Philosophy, Public Policy, and Governance an der University of Washington. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören Probleme eines liberalen Justizsystems sowie das Thema staatlicher Grenzen. Einen besonderen Schwerpunkt legt er dabei auf Aspekte der globalen Verteilungsgerechtigkeit und auf das Thema Migration.

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Gerechtigkeit und die Ausgeschlossenen, Teil 1: Offene Grenzen


Unsere öffentliche Debatte über Migration ist zunächst einmal eine Debatte über Ethik. Der Gedanke, dass bestimmte Formen der Migration ungerecht, also unfair, sind, zieht sich als roter Faden durch den jüngeren politischen Diskurs. Um ein prominentes Beispiel zu nennen: Der Wahlkampf Donald Trumps im Jahr 2016 begann mit seiner Behauptung, dass unter den mexikanischen Immigranten Vergewaltiger, Drogenschmuggler und ganz allgemein „bad hombres“ seien.1 Sein zentrales Wahlkampfversprechen – die Errichtung einer von Mexiko bezahlten Mauer entlang der Grenze zwischen den USA und ihrem südlichen Nachbarstaat – wurde mitunter mit der Behauptung gerechtfertigt, dass die mexikanischen Einwanderer auf unfaire Weise die Arbeitsplätze amerikanischer Arbeitnehmer klauen würden. Trumps Antrittsrede verdeutlichte diesen moralischen Unterton:

„Von diesem Moment an heißt es America First. Jede Entscheidung über Handel, Steuern, Einwanderung oder Außenpolitik wird zum Vorteil amerikanischer Arbeiter und Familien getroffen. Wir müssen unsere Grenzen vor den Verwüstungen durch andere Länder schützen, die unsere Produkte herstellen, unsere Unternehmen klauen und unsere Arbeitsplätze zerstören. […] Wir werden uns unsere Arbeitsplätze zurückholen. Wir werden uns unsere Grenzen zurückholen. Wir werden uns unseren Wohlstand zurückholen.“2

Trumps Analyse ist in ihrem Kern moralisch: Die derzeitige globale Ordnung ist unfair. Es ist unfair, dass Immigrantinnen die Arbeitsplätze und den Wohlstand der derzeitigen Einwohner der Vereinigten Staaten an sich nehmen dürfen. Ich denke, dass Trumps Idee von Eigentum am besten als eine bestimmte Form moralischen Anspruchs interpretiert werden kann: Diese Arbeitsplätze und dieser Wohlstand sindb