: Gerhard Köpf
: Palmengrenzen
: Braumüller Verlag
: 9783992002702
: 1
: CHF 18.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die schönsten Stunden im Leben liegen häufig ein wenig außerhalb der Legalität, sagte Alain Delon. Das gilt auch für den pensionierten Notar Bruno Ziegler, der während eines Arbeitsaufenthaltes im Grand Hotel Garibaldi in den idyllischen Allgäuer Bergen wie zufällig in die Kreise der Mafia gerät. Was ihn mehr und mehr fasziniert, wird ihm schließlich zum Verhängnis. Er wird Zeuge, wie sich eine neue geräuschlose Generation der Ehrenwerten Gesellschaft ausbreitet, die nicht mehr wild um sich schießt und Staatsanwälte in die Luft jagt, sondern diskret und klammheimlich wächst und gedeiht, auch weil ihre Existenz von der offiziellen Politik geleugnet wird. Während einer Zugfahrt schreibt er seine Beobachtungen über die 'Verschiebung der Palmengrenze' ins Allgäu nieder. Er tut dies nicht zuletzt in Hinblick auf seinen neuen Mandanten, einen Mann, den alle nur den Commendatore nennen. Außerdem ist da noch die rätselhafte attraktive Witwe des Hoteliers, die ein Auge auf den Notar geworfen hat: privat, aber auch geschäftlich ...

Gerhard Köpf, 1948 geboren, ehemaliger Literaturprofessor an verschiedenen Universitäten des In- und Auslandes, danach Gastprof. an der Psychiatr. Klinik der LMU München; diverse Literaturpreise für sein literar. Werk (u. a. 1983 Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann- Preis; 1989 Förderpreis Berliner Akad. der Künste, 1990 Raabe- Preis); spielt gelegentlich kleine Rollen in Film (zuletzt Oliver Stone: Snowden) und Theater (Münchner Kammerspiele). Zuletzt bei Braumüller erschienen: 'Das Dorf der 13 Dörfer' (2017), 'Innerfern' (2018) und 'Außerfern' (2018)

Prolog des Herausgebers


Viele wussten, wer er war, aber richtig gekannt hat ihn kaum einer. Seinesgleichen findet man heute nicht mehr. Ziegler hieß er, Bruno Ziegler. Manchmal behauptete er scherzend, man habe ihn nach dem Ketzer Giordano Bruno getauft, und eines Tages werde auch er auf dem Campo de’ Fiori enden.

Von Beruf war er Notar, Doktor beider Rechte, des zivilen und des kanonischen. Unter seinen Eigenheiten stach eine hervor: Er schrieb immer alles auf. Penibel wie er war, legte er Verzeichnisse an, verfasste Aktennotizen, protokollierte, dokumentierte, wie man es ihm im Studium beigebracht hatte nach der Devise: Was nicht dokumentiert ist, existiert nicht. Daran hielt er fest. Bis zum Schluss. Stets hatte er sein Notizbuch zur Hand. Nur der letzte Eintrag fehlt.

Alles andere liegt vor. Diese Aufzeichnungen übergebe ich hiermit der Öffentlichkeit. Das bin ich ihm schuldig, und ich bin sicher, dass er es so gewollt hätte, denn ich kannte ihn gut. Bruno Ziegler war mein Freund. Er war beruflich viel unterwegs. Aber von seiner letzten Reise kam er nicht mehr lebend nach München zurück. Wie oft er schon nach Italien gefahren ist, kann ich nicht zählen. Schließlich lebte er sogar eine Zeitlang in diesem Land, in das er regelrecht vernarrt war, wohl wissend, dass es nirgendwo auf der Welt so viele „Italienkenner“ gibt wie in München. Mit denen hatte er nichts zu tun.

Als der Eurocity EC 82 aus Bologna Centrale an Josephi vergangenen Jahres mit 13 Minuten Verspätung um 22 Uhr vierzig im Münchner Hauptbahnhof einlief, fanden Angehörige der Putzkolonne seine Leiche in einem Abteil Erster Klasse, dessen Vorhänge zugezogen waren. Da waren die Waggons schon zur Reinigung abgestellt: nicht auf dem Campo de’ Fiori, sondern hinter dem Ostbahnhof. Der Tote hatte ein Loch im Kopf, allem Anschein nach war er mit einer Pistole aus nächster Nähe erschossen worden. Er war sofort tot. Es war ein Augenschuss. Jeder Krimileser weiß, dass dies gewöhnlich jemandem gilt, der etwas gesehen hat, das er nicht hätte sehen sollen. Neben ihm lagen ein zerlesenes Exemplar des RomansPalermo Connection und ein nagelneuer Hut. Ein feines italienisches Modell, einBorghi Lorenzo. Wie der gerichtsmedizinische Befund ergab, muss die Tat nach der obligatorischen Grenzkontrolle auf dem letzten Teil der Strecke zwischen Rosenheim und München ausgeführt worden sein. Niemand hatte etwas gesehen oder geh