: Felix Leibrock
: Wenn der Sommer kommt, tanzen die Träume Eine Erzählung für Hoffende
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958903104
: 1
: CHF 11.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die 18-jährige Selma ist eine lebenslustige junge Frau. Vor ihr liegt ein Sommer voller Träume, gerade hat sie Abitur gemacht und schmiedet Pläne für die Zukunft. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu: Bei einem tragischen Verkehrsunfall verliert Selma ihr Augenlicht. Für die junge Frau bricht eine Welt zusammen. Nur schwer findet sie sich in ihrem neuen Leben als Blinde zurecht. Und immer wieder hadert Selma mit denselben Fragen: Warum ist das Leben so ungerecht? Woher nehme ich den Mut zum Leben? Und gibt es das Unsichtbare hinter den sichtbaren Dingen? Als sie mit den Bewohnern eines nahegelegenen Seniorenheims ins Gespräch kommt, erhält Selma unverhofft Antworten. Die Alten erzählen aus ihrem Leben, berichten von Krisen und Schicksalsschlägen, aber auch von der Kraft des Neuanfangs. Tief berührt von der Weisheit ihrer Worte, fasst Selma langsam den Mut, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Und dann, genau ein Jahr nach ihrem Unfall, kehren mit dem Sommer auch Selmas Träume zurück ... Die einfühlsame Geschichte einer jungen Frau, die sich tapfer zurück ins Leben kämpft.

Felix Leibrock, Jahrgang 1960, hat Germanistik, Geschichte und Evangelische Theologie studiert. Er leitet das Evangelische Bildungswerk in München, ist Seelsorger bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei und spricht das Format 'Nachgedacht' bei Antenne Bayern. Zudem engagiert er sich ehrenamtlich in der Obdachlosenhilfe. Als junger Mann wäre Felix Leibrock beinahe erblindet. Zwei schwierige Operationen haben ihm das Augenlicht gerettet. Im Europa Verlag erschien 2019 sein einfühlsamer Lebenshilferoman 'Nur im Dunkeln leuchten dir Sterne'. Zudem ist er als Krimiautor erfolgreich und veranstaltet regelmäßig Literaturabende. Felix Leibrock lebt in München und Weimar.

KAPITEL 2


Die Wand hat 441 Pferdestärken und gehört einer Spedition, deren besonderes Merkmal die glänzend schwarze Lackierung des gesamten Fuhrparks ist. Instinktiv hat Robert das Lenkrad herumgerissen und damit die Frontalkollision mit dem Lkw vermieden. Das hat uns fünf vermutlich das Leben gerettet. Das Cabrio ist aus der Kurve geflogen und hat sich nicht überschlagen. Auch das ist Glück im Unglück. Aber Robert war es nicht möglich, den seitlichen Aufprall des schleudernden Autos gegen eine Ulme zu verhindern, die wenige Meter neben der Fahrbahn am Feldrand steht. Der Baum hat das Auto genau an der Stelle eingedrückt, an der ich sitze. Durch den Aufprall hat es mich nach vorne geschleudert. Mein Körper ist verdreht und in die Seitentür eingepresst wie ein menschlicher Stempel. Ich falle in eine Art Schlaf, höre zwischendurch immer mal ein paar Wortfetzen. Polizei, Feuerwehr, Notfallseelsorgerin, so sortiere ich die Stimmen. Irgendwann merke ich, wie jemand an meinem Kopf zugange ist, vielleicht einen Verband anlegt. Später höre ich ein lautes Knirschen und Quietschen und stöhne vor Schmerz, weil sich die Seitentür des Autos noch etwas weiter in meinen Rücken und in die Schulter bohrt. Heftiger Regen setzt ein und prasselt auf die Motorhaube wie der Trommelwirbel einer apokalyptischen Band. Dazu wieder Donnergrollen. Dann verliere ich das Bewusstsein.

Diese Abfolge der Ereignisse setzt sich für mich erst später so zusammen, aus dem Polizeibericht, Zeugenaussagen, meinen bruchstückhaften Erinnerungen. Als ich erwache, spüre ich als Erstes meine Arme, eine Decke, ertaste das Gestänge eines Bettes. Gedämpfte Stimmen, das Gespräch zweier Personen.

»Papa, bist du das?«

Für einen Augenblick ist es im Raum völlig still. Nur in der Ferne ist leise ein Martinshorn zu hören.

»Selma! Das ist so schön, dass du wieder wach bist!«

Es ist mein Vater. Aber irgendetwas ist anders an seiner Stimme. Ich kann ihn nicht sehen und will an meine Augen greifen, die mir verklebt vorkommen wie bei einer Bindehautentzündung, die ich als Kind einmal hatte. I