2. KAPITEL
Am nächsten Morgen beschloss Jennifer, in ihrem Hotelzimmer zu frühstücken. Sie fand, dass der Zimmerservice ein Luxus war, den sie sich hin und wieder leisten konnte. Sie brauchte Zeit, ein Telefon und keinerlei Unterbrechungen, um ihre Pläne für die restlichen Tage der Reise fertigzustellen. Als das Tablett mit dem Frühstück kam, klingelte gleichzeitig das Telefon. Sie gab dem Kellner ein Trinkgeld und flitzte durchs Zimmer, um den Hörer abzunehmen.
„Guten Morgen! Ich hatte gehofft, Sie noch zu erwischen, bevor Sie losgehen.“
„Christopher?“ Ihr Herz raste beim Klang seiner Stimme. Sie wand die Schnur des Telefons um ihre Finger. Die ganze Nacht lang hatte sie wach gelegen und sich gefragt, ob es richtig gewesen war, ihn abzuweisen.
„Haben Sie gut geschlafen?“
„Oh ja“, log sie energisch. „Wie war die Rückfahrt nach Donan bei dem Wetter?“ Um zehn Uhr, kurz, nachdem er gegangen war, hatte es angefangen zu schütten.
„Ich bin in der Stadt geblieben und habe bei einem Freund übernachtet.“
Sie fragte sich, welches Geschlecht dieser Freund wohl haben mochte, sagte sich aber, dass sie das nichts anging. Ein Mann wie der Earl hatte sicher in fast jeder europäischen Stadt Verbindungen. Einige davon hatten vermutlich mit attraktiven, wohlhabenden Frauen zu tun. Gut für ihn.
„Meine Geschäfte halten mich länger in Edinburgh fest als geplant“, fuhr er fort. „Aber vor heute Nachmittag kann ich wenig tun. Ich habe mich gefragt, ob Sie etwas dagegen hätten, wenn ich bei Ihnen vorbeischaue. Ich könnte mich nützlich machen, zum Beispiel den Wagen fahren oder Ihnen und der Reisegruppe etwas über Edinburgh erzählen, während wir durch die Stadt laufen.“
„Das wäre nett“, antwortete Jennifer so ruhig wie möglich, während ihr Herz offenbar gerade versuchte, ihr ein Loch in die Brust zu hämmern.
„Das heißt nicht, dass Sie in Donan keinen guten Job gemacht haben.“ Seine Stimme klang jetzt leiser und intimer. „Für jemanden, der so jung ist wie Sie, sind sie ausgesprochen scharfsinnig.“
Jennifer schaute auf ihre Finger. Sie spielte immer noch mit der Telefonschnur. Bestimmt hatte sie sich die Veränderung in seinem Tonfall nur eingebildet. „Ich weiß das meiste nur aus Büchern“, sagte sie. „Um ein Land richtig zu verstehen, muss man dort leben. Diese Erfahrung haben Sie mir voraus.“
Einen Moment lang schwiegen sie beide. Dann räusperte er sich. „Wann sollen wir uns treffen?“, fragte er.
„Um neun Uhr vor dem Hotel. Wenn Sie möchten, können Sie schon jemanden vom Hotel bitten, unseren Wagen nach vorn bringen zu lassen.“
„Das mach ich,lassie“, sagte er mit einem übertrieben starken schottischen Akzent. Jennifer lachte leise, auch weil er sielassie genannt hatte, das schottische Kosewort für Mädchen. Doch als sie den Hörer auflegte, zitterten ihre Hände, und ihr Nacken fühlte sich schweißnass an. Warum hatte Christopher nur eine so starke Wirkung auf sie?
Sie hatte schon eine Menge interessanter Männer getroffen, aber sie war nicht der Typ Frau, der sich nur wegen einer Berührung oder des Anblicks unglaublich blauer Augen spontan verliebte. Sorgte sie sich vielleicht wegen Christophers dunkler Seite? Nein, sagte sie sich. Christopher schien ein Mann mit Prinzipien zu sein. Falls er wirklich gefährlich wäre, hätten sich die Klatschblätter sehr viel schonungsloser über seinen extravaganten Lebensstil ausgelassen.
Er flirtete zwar mit ihr, aber sie war sich sicher, dass er nie versuchen würde, sie zu etwas zu zwingen. Aber vielleicht gehörte er zu der Sorte Mann, die zum Zeitvertreib Touristinnen verführte? Solchen Typen war sie schon begegnet.
Nein, beschloss sie, Christopher Smyt