Die sengende Sonne hatte zahlreiche Wasserlöcher imAddo Elephant National Park völlig ausgetrocknet. Die Wildtiere versammelten sich notgedrungen an den wenigen noch ergiebigen Wasserstellen. Die Not der Grasfresser bedeutete für die Beutegreifer eine Zeit des Überflusses. Leoparden, Löwen, Wildhunde und Hyänen konnten dort ohne große Anstrengung Beute machen. Sie mussten nur geduldig warten.
Simon Kerner saß im Büro der Rangerstation und schrieb Berichte für das Ministerium. Seit gut fünf Jahren lebte er jetzt mit seiner kleinen Familie in Afrika als Chef der Wildererbekämpfungstruppe imAddo Elephant National Park, Provinz Ostkap in Südafrika.
Vor einer Woche war ihnen der Schlag gegen eine Bande gelungen, die mit gewildertem Elfenbein schmuggelte. Sosehr ihn der Erfolg der Aktion freute, so sehr nervte ihn immer die anschließend notwendige Büroarbeit. Heute schweiften seine Gedanken immer wieder zu Clara ab. Seine Lebensgefährtin Theresa war am frühen Morgen mit der gemeinsamen Tochter bei einem wichtigen Termin im St.-Georges-Krankenhaus von Port Elizabeth. Clara, die mittlerweile vier Jahre alt und bisher glücklich und frei unter den Männern des Camps aufgewachsen war, zeigte seit einiger Zeit merkwürdige Symptome. Das immer sehr lebhafte Kind wirkte in den letzten beiden Wochen oft müde und abgeschlagen, ohne erkennbare Ursache. Hin und wieder blutete sie aus der Nase und sie klagte über Gliederschmerzen. Zuerst beruhigten sich die Eltern damit, dass Clara einfach zu viel herumtobte. Dann traten diese Zustände vermehrt auf, zudem war das bisher immer ausgeglichene Mädchen oft quengelig und wirkte dabei schwach und teilnahmslos. Da sie hier in der Wildnis relativ weit von jeglicher ärztlichen Versorgung entfernt lebten, entschieden sich Theresa und Simon, das Kind gründlich untersuchen zu lassen. Theresa war gestern zu diesem Zweck mit Clara ins Krankenhaus gefahren. Nun wartete er auf eine beruhigende Nachricht.
Kerner wurde aus seinen Gedanken gerissen, denn auf der Veranda des Bungalows hörte er das Trampeln von Stiefeln. Rex, Kerners Rhodesian Ridgeback, der, wie immer, wenn Kerner im Büro arbeitete, auf dem Fell einer Antilope vor seinem Schreibtisch lag, hob wachsam den Kopf. Da er keinen Warnton von sich gab, kannte der Rüde die Person, die es so eilig hatte. Schon klopfte es hart an die Tür und Richard, Angehöriger des Volkes der Zulu und Ranger der Nationalparkverwaltung, trat ein. Im Laufe der Jahre hatte er sich zu Kerners rechter Hand entwickelt. Er nickte Kerner knapp zu, dabei erklärte er sichtlich erregt: „Chief, ich habe gerade routinemäßig die Standorte der Sender kontrolliert. Bei Onna, der Nashornkuh, gibt es eine Auffälligkeit. Bisher war sie mit ihrem Kalb ziemlich standorttreu in der Umgebung des Wasserlochs 7 herumgezogen. Nach den Aufzeichnungen hat sie sich in den letzten Stunden kein Yard bewegt. Deshalb habe ich die Drohne hingeschickt.“
Kerner runzelte die Stirn. Im Auftrag der Reservatsverwaltung hatten sie mehrere Elefanten und Nashörner mit Sendern versehen, um die Tiere jederzeit auffinden zu können.
Die Rangerstation verfügte über eine leistungsfähige Drohne, mit deren Hilfe sie sehr wirkungsvoll bestimmte Gebiete des Reservats überprüfen konnten.
Der Ranger sah ihn aufgeregt an.
„Es tut mir leid, Chief. Wie es aussieht, wurde Onna getötet. Sie liegt regungslos in der Nähe des Wasserl