: Petra Hauser
: Binokelrunde
: Lindemanns
: 9783881907750
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 176
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In einem tosenden Gewitter fällt inmitten eines friedlichen Wohngebietes ein Schuss. Er verfehlt sein Ziel. Die Bewohner der drei Häuser um den Wendehammer werden aus ihrem behaglichen Alltag aufgeschreckt. Jeder von ihnen hat Grund zu glauben, der Angriff habe ihm gegolten. Einige Tage später wird der Schütze gefunden. Tot. Während die Polizei ermittelt, versuchen die Nachbarn auf eigene Faust, das Rätsel zu lösen. Darunter auch Michel Kohl und seine Freunde, mit denen er sich jeden Mittwoch trifft, um Binokel zu spielen. Schon lange ist Michel in seine geheimnisvolle Nachbarin Frau Welle verliebt. Er trägt ihr seine Hilfe bei den Ermittlungen an und begibt sich damit auf eine abenteuerliche Reise in ihre Vergangenheit. Nach ihren beiden Bestsellern 'Das Glück ist aus Glas' und 'Die Tage vor uns' sowie der Novelle 'Falsche Wimpern' wendet sich Petra Hauser mit ihrem neuen Roman vorsichtig dem Thema Krimi zu. Zwischen Karlsruhe und Meersburg am Bodensee verspinnt sie die biografischen Fäden ihrer Figuren zu einem spannenden Netz.

Petra Hauser wurde 1950 in Karlsruhe geboren. Sie studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg und war als Lehrerin tätig. 16 Jahre lang leitete sie Literaturkurse und schrieb Buchbesprechungen. 2009 erschien ihr Debüt-Roman 'Das Glück ist aus Glas', der bereits in der 5. Auflage vorliegt. 2011 veröffentlichte sie die Novelle 'Falsche Wimpern' und 2013 die Fortsetzung ihres Karlsruhe-Romans, 'Die Tage vor uns'.

Erster Teil

1

Der Schuss, der Blitz und der Donner kamen gleichzeitig.

So schien es mir jedenfalls.

Ich sah Frau Welty dort stehen, sie sah aus wie Lots Frau, zur Salzsäule erstarrt. Ich dachte, wenn das ein Schuss war, wenn er sie getroffen hat, dann wird sie jetzt umsinken. Ich werde zu ihr eilen und werde sie stützen, meinen Arm in ihren Nacken legen, sie wird mich anschauen, mit brechendem Blick, mir etwas zuflüstern, ein dünner Blutfaden wird aus ihrem Mundwinkel sickern. Ich werde „Eudora“ stammeln, „Bitte nicht! Bitte bleiben Sie hier bei mir, endlich bei mir ...“ und ihr Blick wird sich im Leeren verlieren, schließlich erstarren. Ihr Körper wird erschlaffen, ihre Züge sich auflösen, das Blut aus ihrem Gesicht verschwinden. In wenigen Sekunden wird sich dieses schöne, rosige, fleischige Gesicht in eine Maske verwandeln. Und dieser Augenblick wird der letzte Höhepunkt in meinem Leben gewesen sein. Ihr Körper wird noch warm sein, alle Versprechungen heucheln, die ein warmer Köper geben kann, ihr Haar wird noch duften und glänzen und ich werde mich danach sehnen hineinzugreifen.

Es kann natürlich so nicht gewesen sein. All das hätte doch zu lange gedauert. Außerdem sah ich im Blitz den Mann. Er wandte mir seinen Rücken zu. An seiner Haltung konnte ich erkennen, dass er den Schuss abgegeben haben musste. Ich sah seinen rechten Arm nicht, den hielt er vor sich ausgestreckt. Die Finger seiner linken Hand waren wie Krallen abgespreizt.

Und ich sah Herrn Melser, er lehnte sich weit aus dem offenen Küchenfenster, so dass ich kurz dachte, der Schuss könnte ihn getroffen haben.

Diese beiden Gestalten, Frau Welty in ihrem Regenumhang mit der Kapuze, die sie sich tief ins Gesicht hineingezogen hatte, und Herr Melser in seinem Jogginganzug mit Kapuze sahen einander so ähnlich! So ähnlich, das dachte ich.

Dann drehte der Mann sich um und blickte mich an, denn ich stand ja nur fünf Meter entfernt von ihm vor dem Haus von Frau Winkelmann, war gerade auf dem Rückweg. Er erschrak, ließ etwas fallen, die Waffe natürlich, wie ich erst später feststellte, er zuckte zurück, zuckte, als er mich ansah und vielleicht erkannte, zuckte zurück, so dachte ich, und heiß durchströmte mich das Gefühl, er könnte mich gemeint haben, mich in meiner Schöffeljacke, deren Kapuze ich übergestülpt hatte. Aber warum, dachte ich, warum mich und im selben Augenblick sagte eine Stimme in mir, ja natürlich, du warst gemeint!

Da rannte er weg, die Straße entlang, Regentropfen spritzten auf aus den Pfützen, er rannte und rannte, bog am Ende unserer Straße nach rechts ab, in Richtung Park, in Richtung Bach.

Dass Frau Welty mich nicht wahrgenommen hat, nicht sofort, kam daher, dass ich direkt vor der alten Fichte stand und meine Silhouette mit ihr verschmolz. Herrn Melser konnte sie nicht bemerken, er war hinter ihr, und im Getöse des Donners ertranken alle anderen Geräusche. Frau Welty sprang auf die Straße, erstaunlich behände für ihre Größe und ihre ... wie soll ich das nennen? Sie ist eine Rubensgestalt, das trifft es am besten. Sie bückte sich, nahm die Waffe an sich, drehte sich um nach allen Seiten. Herr Melser hatte den Fensterflügel schnell geschlossen, aber ich war damals schon sicher, dass er sie beobachtete. Jetzt nahm sie mich wahr, denn ich hatte mich auf sie zubewegt, instinktiv, ich wollte ihr helfen, ihr beistehen. Sie blieb stehen und wandte den Kopf, um die davoneilende Gestalt mit ihren Blicken verfolgen zu können.

Als ich neben sie trat, flüsterte sie: „Ach, Herr Kohl, Sie!“

Es war etwas wie Erleichterung in ihrem Blick und ein Flehen. Sie presste die Lippen aufeinander, drückte die Waffe an ihre Brust und stammelte: „Bi