1 Alter und Altern
Alter(n) ist mit einer Reihe körperlicher und kognitiver Funktionseinbußen sowie mit Veränderungen der Persönlichkeit und der sozialen Beziehungen verbunden. Altern birgt aber nicht nur Defizite und damit auftretende Probleme, es ist auch durch Kompetenzen, Potenziale und Chancen gekennzeichnet. Dementsprechend wird seit den 1970er-Jahren das Stereotyp eines durch Defizite und Verluste geprägten Alter(n)s von der Entwicklungsforschung und der Gerontologie als zu einseitig und unvollständig zurückgewiesen und durch ein differenzierteres Altersbild ersetzt, das auch die Facette des „produktiven“ und „erfolgreichen“ Alter(n)s umfasst. Neben den unbestrittenen Krisen und Verlusten werden in dieser Sicht auf das Alter(n) auch die Chancen und Optionen eines erfolgreichen Alterns betont. Natürlich verschiebt sich die Balance zwischen Zugewinn und Abbau, besonders im hohen Alter (ab ca. 80 Jahren), zugunsten des Letzteren. Aber dennoch kann eine gesunde ältere Person nach dem Renteneintritt noch einige gesunde Lebensjahrzehnte erwarten, verbunden mit einer Reihe körperlicher und kognitiver Herausforderungen, aber auch vielen neuen Erfahrungen.
1.1 Definition von Alter und Altern
Altern als unidirektionaler Prozess
Die traditionelle, bis in die 1960er Jahre dominierende biologische Perspektive auf das Altern beschreibt dieses als eine Phase zunehmender Seneszenz und stellt es der Reifung in der frühen Entwicklungsphase und einer Phase relativer Stabilität im frühen und mittleren Erwachsenenalter gegenüber. Demzufolge wäre das Altern ein unidirektionaler Prozess, der durch einen Verlust an biologischen und psychologischen Funktionen gekennzeichnet ist.
Altern als lebenslanger Prozess
Diesem Ansatz wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts die von K. Warner Schaie, Paul B. Baltes, James E. Birren, John R. Nesselroad und anderen begründete Lebensspannenperspektive gegenübergestellt. Damit veränderte sich die Entwicklungsforschung insbesondere in der Psychologie. Die bis dahin vorherrschende biologisch- und psychologisch-reduktionistische und an Altersgruppen ausgerichtete Sichtweise wurde abgelöst. Im Mittelpunkt steht die Erforschung der Entwicklung über die Lebensspanne und der Interaktion von biologischen und kulturellen Faktoren mit individuellem Verhalten (Lerner& Overton, 2010). Dieser Ansatz beruht auf der Beobachtung, dass Entwicklungsprozesse über die Reifung hinaus das ganze Leben lang bis zum Tod andauern können. Demzufolge ist Altern ein lebenslanger Entwicklungsprozess, der durch Veränderungen gekennzeichnet ist, die mehr oder weniger zwangsläufig mit zunehmendem Alter auftreten. Diese Veränderungen sind in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich stark ausgeprägt und geschehen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Altern beginnt also nicht