Das Godotbähnchen
Hätte ein besonderer Tag werden sollen, ein Meilenstein in der glorreichen Verkehrsgeschichte dieses tapferen, kleinen Bundeslandes, der 25. September 2008. Endlich ist es soweit, der Tag ist da, ich bin da. Glücklicherweise ist niemand Offizielles aus Mainz da. Die haben wohl irgendwie Lunte gerochen, die Jubiläumsfahrt mit Minister Hering im historischen Triebwagen ist rechtzeitig abgeblasen worden, wie immer wissen die mehr als wir. In Indien gehen mobile Wahrsager durch die Züge. Die würden in Deutschland schon bei den exakten Ankunftszeiten durchdrehen, und bei der Hunsrückbahn an der Frage, ob überhaupt je was verkehrt. Das Wort „verkehrt“ bietet ja mehrere Interpretationsmöglichkeiten.
Als Minister Hering noch Bürgermeister von Hachenburg im Westerwald war, habe ich einmal eine historische Fahrt in seinem Auto erlebt, als er mich nach einem Auftritt am nächsten Morgen, sonntags um halb acht, so heroisch wie selbstlos nach Koblenz hinunter zum Bahnhof fuhr. Für Emmelshausen gilt heute: Der Zug ist nicht da. Nicht einmal der neue, den sie sich zum hundertjährigen Jubiläum der Hunsrückbahn geleistet haben. Ursache war nicht etwa eine Antriebsschwäche des Schienenfahrzeugs, sondern ein geradezu augenblicklicher Verschleiß der Radreifen. Umständlich hatte man eigens einen Schienenschleifzug organisieren müssen – Schleifzüge sind rar und kosten entsprechend. Die Radreifen ließen sich davon ohnehin nicht beeindrucken. Zehn Millionen Euro hat die DB Netz in neue Gleise für eine 16 Kilometer lange Strecke gesteckt – das ist nun der Dank. Nicht einmal das Schmieren der Radreifen hat etwas gebracht, einer der seltenen Fälle übrigens, bei dem Schmieren keine Wunder bewirkt hat.
Sie haben mich vor Monaten zur Eröffnungsveranstaltung gebucht, jetzt haben sie mich im sicheren Wissen, dass nichts Weltbewegendes passieren wird, anreisen lassen, sozusagen als 1-Personen-Eingreiftruppe, möglicherweise als De-Eskalations-Spezialist, ja, Gruppentherapeut. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich es hinauf nach Emmelshausen geschafft habe, wahrscheinlich mit dem Bus von Koblenz. Mit einem großen Bahnhof kann das Viereinhalbtausend-Seelen-Städtchen leider nicht aufwarten, wobei die Veranstaltung im kleinen Bahnhof stattfinden soll. Gut, ehrlich gesagt ist er sogar eher klein und wird schon lange für Kleinkunst genutzt, also immerhin sinnvoll.
Die örtlichen Honoratioren sind stoisch entschlossen, den Abend zu vollstrecken, ihre Mienen bewegen sich zwischen finsterer Gelassenheit und fatalistischer Fröhlichkeit. Wahrscheinlich haben sie den bereits kaltgestellten Sekt im Vorfeld weggepütgert, vielleicht bei der halbfeierlichen Enthüllung der Bronzeskulptur namens „Knochenflicker Pies“. Der Knochenflicker war der Vorläufer des Chiropraktikers. Ein Anlass also ohne Anlass. Ab und zu splinzt einer von ihnen verstohlen nach draußen, in der vagen Hoffnung, dass der Zug wider Erwarten doch noch eintrifft. Dabei wissen längst alle Beteiligten Bescheid, seit Wochen schon. Aber die Deutsche Bahn gibt ja ihre Verspätungen ebenfalls stets häppchenweise durch. Hier trifft sie allerdings keine Schuld. Ausnahmsweise. Das haben andere versemmelt. Oder veremmelt? Mit und gleichzeitig ohne Pauken und Trompeten.
Knapp eine Hundertschaft Zuschauer hat sich eingefunden. Ich habe die Texte eigens für diesen Abend zusammengestellt, teils völlig neu geschrieben, teils alte überarbeitet, und das für so einen Hennenschiss. Aufwand und Ergebnis stehen in keinem Verhältnis zueinander, was natürlich auch seinen Reiz hat, denn seien wir gerecht: So etwas passiert selten. Wie oft habe ich schon für absolut unaufwändige „Events“ oder „Galas“ das Drei- bis Vierfache kassiert, die mich – von der durch sie verursac