Abschied vom Größenwahn Wie wir zu einem menschlichen Maß finden
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Ute Scheub, Christian Küttner
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Abschied vom Größenwahn Wie wir zu einem menschlichen Maß finden
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oekom verlag
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9783962387198
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1
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CHF 16.10
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Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
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German
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288
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kein Kopierschutz
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PC/MAC/eReader/Tablet
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ePUB
»Wir alle sind aufgerufen, liebevolle Sterbebegleitung für das alte System zu leisten.« Größenwahn und Gigantismus sind zum Motto unseres Daseins geworden. Unreflektiert produzieren und konsumieren wir immer mehr, bauen immer höher, fliegen immer weiter - und merken gar nicht, wie unmenschlich diese Art zu leben eigentlich ist. Ute Scheub und Christian Küttner zeigen, warum diese Lebensweise uns nicht glücklich machen kann, und modellieren stattdessen ein menschliches Lebensmaß - orientiert an Wohlergehen statt Gewinn, Verbundenheit statt Anonymität, Lebendigkeit statt Betonwüsten. Dabei entsteht das Bild einer anderen Gesellschaft, die kleinteilig, regional, dezentral und basisdemokratisch die Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt.
Ute Scheub ist Autorin zahlreicher Sachbücher zu den Themen Frieden, Ökologie und Frauen. Zuletzt erschienen von ihr im oekom verlag »Terra Preta« und »Die Humusrevolution«, zwei leidenschaftliche Plädoyers für regenerative Landwirtschaft.
Kapitel 1
Ernährung: bio – selbstversorgend – regional
In unserer Zeit kommt die Hauptgefahr für den Boden (und damit nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für unsere Kultur insgesamt) von der Entschlossenheit des Städters, die Grundsätze der Industrie auf die Landwirtschaft anzuwenden.
E.F. SCHUMACHER
Menschen sind Natur inmitten von Natur. Oder wie es Albert Schweitzer ausdrückte: Wir sind Leben inmitten von Leben, das leben will. Körper, Seele und Geist bilden eine Einheit, die täglich durch biologischen und sozialen Stoffwechsel genährt und erneuert wird. Wir trinken Kaffee oder Tee – und das belebende Gefühl lässt uns aktiv werden. Wir essen Nudeln oder ein Salzgürkchen – und aus dem Gürkchen wird eine Idee. Wir atmen ein – unsere Muskeln werden mit Sauerstoff versorgt, und daraus wird womöglich ein fußballerischer Meisterschuss oder ein weltverändernder Akt. Atom für Atom, Molekül für Molekül, Zelle für Zelle erneuern wir uns beständig selbst. Bei Erwachsenen sterben in jeder Sekunde rund 50 Millionen Zellen ab – das entspricht aneinandergelegt einer Zellkette von einem Kilometer Länge.
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Gleichzeitig werden in jeder Sekunde fast genauso viele Zellen neu gebildet. Pro Sekunde beinahe ein neuer menschlicher Kilometer in jedem von uns!
Jedes Ich ist eine Wohngemeinschaft von Billionen Körperzellen und noch mehr Mikroorganismen im Darm und auf der Haut. »Ein Erwachsener besteht aus 1014 oder 100 Billionen oder 100.000.000.000.000 einzelnen Zellen. Legte man die durchschnittlich nur 1/40 Millimeter großen Zellen aneinander, reichten sie zweieinhalb Millionen Kilometer weit – oder etwa 60-mal um die Erde.«
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Sozialdarwinisten glauben, wir seien Produkte des Überlebenskampfes von konkurrierenden »Fittesten« und »Stärksten«. Doch biologisch und sozial gesehen, sind wir ein Meisterwerk der Kooperation. Meistens ohne dass dabei irgendetwas schiefgeht. In der Natur ist Kooperation das wesentliche Prinzip, um ein Zigfaches stärker als Konkurrenz. Der Neurowissenschaftler Antonio Damasio formuliert es so: Unser Körper sei »Teil eines ungeheuer komplexen Organismus aus kooperierenden Systemen, die aus kooperierenden Zellen bestehen, die aus kooperierenden Molekülen bestehen, die aus kooperierenden Atomen bestehen, die schließlich aus kooperierenden Teilchen aufgebaut sind.«
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Wir sind ein Mix aus allem und jedem. Buchstäblich auch aus Sternenstaub. »Jeder von uns enthält Kohlenstoff-, Sauerstoff- und Eisenatome, die in Tausenden von Sternen aus der gesamten Milchstraße entstanden. Der Kosmos ist in einem sehr intimen Sinn ein Teil von uns«, schreibt der britische Astronom Martin Rees.
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Wir sind eine bunte Mischungen aus Sternen, Viren, Bakterien, Pilzen, Pflanzen, Tieren und anderen Menschen. Jeder könnte jede Lebensform sein und war es vielleicht schon.
Jedes Jahr werden 98 Prozent der Atome in unserem Körper ersetzt. Die allermeisten Elemente unseres Körpers sind längst in die Atmosphäre veratmet, mit der Toilette in Klärwerke, Flüsse und Meere gespült oder anderswie über die Erde verteilt worden. Ungefähr 1,5 Tonnen Materie setzen wir jährlich im Körper um, Essen, Trinken und Sauerstoff wird in Energie umgewandelt. Laut dem Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg hat jedes Kohlens