: Timothy Snyder
: Die amerikanische Krankheit Vier Lektionen der Freiheit aus einem US-Hospital
: Verlag C.H.Beck
: 9783406761379
: 1
: CHF 8.40
:
: Politik
: German
: 158
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Es war schon viel zu leicht, in diesem Land zu sterben, bevor das Coronavirus in die Vereinigten Staaten gelangte. Unser stümperhafter Umgang mit der Pandemie ist das jüngste Symptom unserer Krankheit, einer Politik, die Schmerz und Tod statt Sicherheit und Gesundheit bringt, Profit für einige wenige statt Wohlstand für viele.'
Vom Autor des Nr. 1-Bestsellers 'Über Tyrannei' kommt eine vernichtende Kritik an Amerikas Reaktion auf die Corona-Pandemie. Timothy Snyder legt in seiner Analyse die Wurzeln des Übels frei. Sein Buch ist ein aufwühlender persönlicher Krankenbericht und zugleich eine dringende Warnung an uns alle, die Kommerzialisierung der Medizin zu verhindern und den Sozialstaat nicht aus der Hand zu geben.
Am 29. Dezember 2019 wurde der Historiker Timothy Snyder ernsthaft krank. Er konnte nicht mehr stehen, kaum noch klar denken und wartete stundenlang in der Notaufnahme, bevor er untersucht und eilig in den Operationssaal gebracht wurde. Während sein Leben an einem seidenen Faden hing und das neue Jahr begann, wurde ihm bewusst, wie profitorientiert das Gesundheitswesen in den USA ist und wie wenig alle Rechte und Freiheiten wert sind, wenn das Menschenrecht auf eine gute medizinische Versorgung nicht dazu gehört.
Dann kam die Pandemie. Die Regierung von Donald Trump machte alles noch viel schlimmer durch absichtliche Ignoranz, Desinformation und Machtspiele. Das Gesundheitssystem stand vor seinem ultimativen Test, und es versagte. Tausende von Amerikanern starben.
In diesem augenöffnenden Cri de Coeur rekonstruiert Snyder die sozialen Entwicklungen, die zu der aktuellen Lage geführt haben, und er beschreibt die Lehren, die daraus gezogen werden müssen. Er beleuchtet dunkle Momente der Geschichte und solche in seinem eigenen Leben, und er zeigt, welche vier Prinzipien beherzigt werden müssen, um von der 'amerikanischen Krankheit' geheilt zu werden.

Timothy Snyder ist Professor für Geschichte an der Yale-University und Permanent Fellow am Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) in Wien. Seine Bücher"Bloodlands", quot;Black Earth","Der Weg in die Unfreiheit" und"Über Tyrannei" sind auf Deutsch alle im Verlag C.H.Beck erschienen sind. Für seine Arbeiten hat er u.a. den Hannah-Arendt-Preis und den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung erhalten. Er gehört zu den führenden Intellektuellen in den Vereinigten Staaten.

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Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht


Ich war in Deutschland, als ich krank wurde. Am 3. Dezember wurde ich spät nachts in München mit Bauchschmerzen in ein Krankenhaus eingeliefert, aber am nächsten Morgen wieder entlassen. In Connecticut wurde ich am 15. Dezember für eine Blinddarmoperation ins Krankenhaus eingeliefert und nach weniger als vierundzwanzig Stunden wieder entlassen. In Florida, wo ich am 23. Dezember im Urlaub war, wurde ich wegen Kribbeln und Taubheit in Händen und Füßen ins Krankenhaus eingeliefert und tags darauf entlassen. Anschließend ging es mir immer schlechter, mit Kopfschmerzen und zunehmender Müdigkeit.

Am 27. Dezember beschlossen wir, nach New Haven zurückzukehren. Ich war mit der Behandlung in Florida nicht zufrieden und wollte nach Hause. Aber es war meine Frau Marci, die die Entscheidungen treffen und sich um alles kümmern musste. Am Morgen des 28. packte sie alles zusammen und machte unsere beiden Kinder reisefertig. Ich war eine Last. Ich musste mich nach dem Zähneputzen und dem Anziehen jedes einzelnen Kleidungsstücks hinlegen, um mich ein wenig auszuruhen. Marci kümmerte sich an den Flughäfen darum, dass wir jeweils einen Rollstuhl bekamen, und brachte uns dorthin, wo wir hin mussten.

Am Flughafen von Fort Myers saß ich im Rollstuhl mit den Kindern am Straßenrand, während sie den Mietwagen zurückgab. Sie hat sich an die Reise so erinnert: «Auf dem Flug bist du langsam aus dem Leben verschwunden.» Am Flughafen von Hartford schob sie mich vom Flugzeug direkt zum Auto einer Freundin und blieb dann bei den Kindern, um auf das Gepäck zu warten. Unsere Freundin wusste nicht, was passierte; sie warf einen Blick auf mich im Rollstuhl, sagte auf Polnisch: «Was haben sie getan?», und beförderte mich auf den Vordersitz. Ich legte mich flach hin, während sie nach New Haven raste, denn auf diese Weise tat mein Kopf weniger weh.

Ich bemühte mich da