: Paul Werner
: Yorricks Coup
: TWENTYSIX
: 9783740776725
: 1
: CHF 8.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 408
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Laura und Solitaire stellen sich ihrer bislang größten Herausforderung. Im Gefolge des Feldzugs der Armada von 1588 heften sie sich an die Fersen eines spanischen Verräters, der seine Kameraden beim Untergang der Gran Grifón vor Fair Isle im Stich ließ, mit einem Sack Golddukaten untertauchte und als Engländer Yorrick in der deutschen Hanse Unterschlupf fand. In der Folge wurde er zum Mythos und Urvater einer angesehenen"Bruderschaft quot;, die nach seinem Tod allmählich zur kriminellen Vereinigung verkommt, lange in der Versenkung verschwindet, um in jüngerer Zeit als Thule Tingvall politisch runderneuert wiederaufzuleben."Stamml nd" des Tingvalls sind die entlegenen Archipele am nordwestlichen Rand Europas: Hebriden, Orkneys und Shetlands. Die werden damit zu bevorzugten"Trittsteinen quot; auf der von Leichen gepflasterten Route der Försters auf der Jagd nach einer Chimäre namens Bluebell.

Geboren 1945 in Altensteig, Nordschwarzwald, wuchs Paul Werner in Wuppertal auf. Als Berufsoffiziersanwärter verließ er 1967 nach fast drei Dienstjahren die Bundesmarine. Anlass seiner Demission war der seines Erachtens damals von Politik und Justiz unter den Teppich gekehrte Mord an dem Studenten Benno Ohnesorg. In Würzburg und Bonn studierte er englische und russische Philologie auf das Höhere Lehramt. Ein weiteres Ziel, das er 1972 trotz des inzwischen erlangten Staatsexamens wieder verwarf. Stattdessen ergriff er die Gelegenheit, als Seiteneinsteiger Konferenzdolmetscher der EU-Kommission in Brüssel zu werden. Studierte parallel zu seiner Arbeit aus zuletzt acht"passiven" Sprachen ins Deutsche und Englische auch sechs Semester Jura an der Fernuni Hagen und hielt sich beruflich längere Zeit jeweils in verschiedenen europäischen Metropolen und Kulturen wie London, Kopenhagen, Athen, Moskau und Istanbul auf. Mit einer Dänin verheiratet, besuchte er Skandinavien und nicht zuletzt Norwegen regelmäßig zu Wasser und zu Lande. Nachdem er sich schon während seiner Militär- und Studienzeit immer mal wieder mit Gelegenheitsartikeln für alle möglichen Gazetten versucht hatte, widmete er sich vom Zeitpunkt seiner Pensionierung an fast ausschließlich der Abfassung von maritimen Essays und Abenteuerromanen mit kriminalistischem Einschlag (siehe Verzeichnis). Paul Werner ist geschiedener Vater dreier erwachsener,"durch und durch dänischer" Töchter, wohnt selbst jedoch in Heidelberg.

ERSTES KAPITEL


1. Die Kanzel des Todes

Der Mann am Steuer des offenen Motorboots schlägt die Kapuze seines Anoraks mit einem jähen Ruck seines Kopfes nach hinten und lässt sich so vorsichtig auf die für sein Hinterteil deutlich zu klein geratene Sitzschale sinken, als fürchte er, sie könnte sich unter seinem Körpergewicht verbiegen oder gar brechen. Der zu dieser Jahreszeit penetrant herabrieselnde norwegische Landregen macht überraschend doch mal Pause. Die allmorgendlichen Dunstschleier über dem engen Lysefjord weichen milchigem Grau, das auch jetzt, im anbrechenden Frühjahr, nicht bereit scheint, sich anstandslos von der langen winterlichen Finsternis zu trennen.

Als der Mann seinen Parka ablegt, tritt darunter die Uniform eines norwegischen Polizisten zutage. Sein bestes Mannesalter hat er offenkundig bereits hinter sich. Mit seinem grauen, dichten Oberlippenwulst von Schnurrbart ähnelt er auf einige Entfernung dem älteren Josef Stalin. Von dem winzigen Anleger des Weilers Bratteli kommend, ist der „Georgier“, wie ihn seine Kollegen deshalb auch gerne scherzhaft nennen, auf dem Weg nach Stavanger, wo er um zwölf Uhr mittags seinen Kollegen vom Morgendienst ablösen wird. Bis dahin gilt es, in der Stadt noch einige private Besorgungen zu machen. In Gedanken geht er gerade zum wiederholten Male die wichtigsten Posten der Einkaufsliste durch, die ihm wie üblich von seiner Frau zusammengestellt wurde und die er dann wie üblich in der Eile des Aufbruchs auf dem Küchentisch vergessen hat.

Seine wenigen freibleibenden Valenzen befassen sich indes mit seinem Dienstplan für die laufende Woche, der einen ärgerlichen Schönheitsfehler aufweist. Um sich von der lästigen Sonntagsbereitschaft befreien zu können, die ihm turnusmäßig wieder mal zufällt, muss er sich inzwischen immer ausgefallenere Vorwände einfallen lassen, da ihm alle naheliegenden längst ausgegangen sind.

In Gedanken versunken und immer noch ein wenig schläfrig vom eher abgebrochenen als vollendeten Morgenschlummer, gestattet er dem Heck seines leichten GFK-Bootes, sich nicht zuletzt dank des fehlenden Kiels mit der Umdrehungsrichtung des Propellers zu solidarisieren und einen leichten Schlenker nach Steuerbord zu vollführen, der das Boot unmerklich näher an die Felsen entlang des nördlichen Fjordufers heranrückt. Ob seiner Enge, seiner relativ gradlinigen Ausrichtung und seines Mangels an Abzweigungen gleich