: Pater Tobias Breer, Jutta Hajek
: Der Marathon-Pater 60.000 Kilometer gegen die Armut
: bene! eBook
: 9783963401046
: 1
: CHF 7.50
:
: Christliche Religionen
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Der Marathon-Pater« ist die bewegende Autobiografie von Pater Tobias Breer, der durch das Laufen Geld sammelt, um arme Menschen im Duisburger Norden zu unterstützen. »Jeder Kilometer hilft helfen« - das ist das Motto von Pater Tobias Breer. Der moderne Geistliche hat gleich zwei Leidenschaften: für Menschen da sein, denen sonst keiner beisteht, als auch das Laufen. Und er hat einen außergewöhnlichen Weg gefunden, seine Passionen miteinander zu verbinden: Um die vielen armen Familien im Duisburger Norden zu unterstützen, läuft Pater Tobias Marathon - und das in der ganzen Welt. Über 90 Marathon-Läufe hat er bereits bestritten. Darunter einen Marathon in der Wüste des Oman und die »Big Five« des Marathons: Boston, London, Berlin, Chicago, New York. Hinzu kommen zahlreiche Ultra-Marathons. Und er sucht immer wieder neue Herausforderungen. Mit den Spenden, die er für jeden Kilometer sammelt, hat er ein Hilfszentrum aufgebaut, in dem Kinder, deren Familien, aber auch Geflüchtete und andere Hilfsbedürftige Unterstützung finden: Beratung, Essen, Kurse zur Ernährung, Bildungsangebote und vieles mehr. Über 60.000 Kilometer ist er bislang gegen die Armut gelaufen, mehr als 200.000 Euro Spenden sind so bereits zusammengekommen. Das Laufen ist für den Priester, der in der Öffentlichkeit als Marathon-Pater bekannt ist, ein spirituelles Erlebnis. Er gewinnt daraus selbst neue Kraft für seine Aufgaben. Denn Kirche ist für ihn nicht nur sonntags. Als Seelsorger ist Pater Tobias fast rund um die Uhr erreichbar. Nah an den Menschen sein - darum geht es ihm. Warum ihm dies so gut gelingt und er dabei so authentisch ist? Weil der Marathon-Pater Not und Zweifel aus eigener Erfahrung kennt: Nach dem frühen Tod seiner Mutter plagte ihn die Frage, wie Gott dieses Leid zulassen konnte. Fünf Jahre lang hatte Breer dem Glauben abgesagt. Doch er fand zurück und trat mit 24 Jahren in einen Prämonstratenser-Orden ein. 'Der Marathon-Pater' ist die Autobiografie eines außergewöhnlichen Priesters und Marathonläufers, der ganz nebenbei ein positives Bild von Kirche und Glauben vermittelt. *** »Die Düne türmt sich vor mir auf. Unerwartet. Beinahe 300 Meter ist sie hoch. Eigentlich hätte es bis zum Ziel nur noch geradeaus gehen sollen. 172 Kilometer habe ich in den letzten sechs Tagen während dieses Ultra-Marathons zurückgelegt, mitten durch die Wüste des Oman. Jeden Tag ein langer Lauf durch die Hitze. Die Temperaturen betragen weit über 40 ?C, man kommt mit dem Trinken kaum hinterher. Überall umher ist nur Sand. Alles gleich, Kilometer um Kilometer. Unterwegs bin ich immer wieder an meine Grenze gekommen. Habe geweint: vor Frust, dass die Wege kein Ende haben; aus Angst vor den Tieren, die nachts in der Wüste unterwegs sind; vor dem Schmerz, den Hitze am Tag und Kälte in der Nacht mit sich bringen. Dann ist es wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Den Grund, warum ich das überhaupt auf mich nehme: Angelina und Lisa-Marie, Sarah, Marvin, Anina, Kiara, Joyce, Mia, Ronja, Lea. Kinder in Duisburg, die in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen und die durch das Geld, das bei solchen Marathon-Läufen gespendet wird, eine Chance bekommen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.« Pater Tobias »Das Laufen gibt mir Kraft. Wenn ich unterwegs bin, habe ich Zeit für mich: zum Nachdenken, aber vor allem zum Gebet. Ich glaube, dass Gott die Liebe ist, und dass er möchte, dass wir den Menschen diese Liebe vorleben. Das ist mein Ziel, dafür bin ich Priester geworden!« Pater Tobias

Pater Tobias Breer O. Praem., Jahrgang 1963, geboren in Werne an der Lippe. Seit 2008 ist er Pastor der Herz-Jesu Gemeinde in Duisburg-Neumühl. Die materielle und soziale Armut täglich vor Augen, gründete Pater Tobias 2007 das Hilfsprojekt LebensWert, für das er 2016 den Engagementpreis des Landes Nordrhein-Westfalen erhielt. 

Kapitel 1

Bloß nicht aufgeben


Daniel Elke © Projekt Lebenswert

»Jesus ist 40 Tage durch die Wüste gelaufen, da werde ich wohl 6 schaffen«, flachse ich. Aber so locker, wie ich das sage, ist es nicht. Meine Anspannung wächst von Tag zu Tag.

Vom Veranstalter desOman Desert Marathon habe ich eine Ausrüstungsliste bekommen. Und da ist einiges dabei, was sonst nicht zu meinem klassischen Laufgepäck gehört: Kompass, Signalspiegel, Trillerpfeife, ein scharfes Messer, Salztabletten, Antiseptika, eine Anti-Gift-Pumpe, eine Rettungsdecke und vieles mehr. Ich gehe die Liste gerade noch ein weiteres Mal durch und setze hinter jeden Ausrüstungsgegenstand, den ich bereits auf den Tisch gelegt habe, einen Haken.

Immer wieder schweifen meine Gedanken in die Ferne, am liebsten wäre ich schon unterwegs.

Auf dem Konferenztisch in meinem Büro in Duisburg-Neumühl türmen sich verschiedene Stöße von Materialien und Unterlagen, Dinge, die ich mit auf die Reise nehmen muss. Auch ein aktuelles EKG und eine Bescheinigung meines Arztes, dass ich wirklich topfit und gesund bin und die Tour auch bewältigen kann, sind ein absolutes Muss. Im Päckchen mit den wichtigen Papieren liegt auch ein Umschlag mit 200 Euro, die ich für den Rücktransport ins Camp in Bidiyah benötige, falls ich nicht weiterlaufen kann. Aber ich gehe nicht davon aus, dass ich davon Gebrauch machen muss. Positiv denken und Gottvertrauen gehören dazu. Ebenso wie ein Fläschchen Weihwasser. Damit werde ich mich vor dem Lauf einreiben, damit ich keine Blasen kriege und nicht von Skorpionen oder Schlangen gebissen werde. Aber auch dafür wäre ich im Notfall gut gerüstet.

Während ich die Mini-Pumpe auf den Tisch lege, die einen starken Unterdruck erzeugen kann, mit dem man im Notfall – nach dem Biss einer Schlange oder eines Skorpions – das Gift aus der Wunde zieht, denke ich an eine Situation vor einigen Tagen. Eine Szene, hier im Büro …

 

Die Pupillen von Barbaras grauen Augen weiten sich, während ich die Gebrauchsanweisung der Pumpe laut vorlese: »Binden Sie das Bein bzw. den Arm rasch drei bis neun Zentimeter oberhalb der Wunde ab, um die Verteilung des Giftes zu verhindern. Setzen Sie nun die Pumpe mit der Saugglocke an, ziehen Sie den Griff ganz nach oben und saugen Sie das Gift heraus. Entfernen Sie den Sauger, reinigen Sie die Wunde vorsichtig und begeben Sie sich unmittelbar in ärztliche Behandlung.«

Meine engste Mitarbeiterin Barbara starrt auf das Kunststoffteil in meiner Hand, als wäre ich jetzt völlig verrückt. Es ist, als ob ihr plötzlich bewusst wird, dass der Lauf wirklich gefährlich werden kann.

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, doch Barbara findet das Ganze überhaupt nicht witzig und schüttelt energisch den Kopf: »In der Wüste im Oman kriechen Skorpione und Schlangen herum, die so giftig sind, dass ihr Biss tödlich sein kann. Einen Arzt aufsuchen – wie soll das gehen, mitten im Nichts? Bis im Notfall Hilfe vor Ort ist, könnte es Stunden dauern, wenn du dich nicht bemerkbar machen kannst. Weißt du überhaupt, worauf du dich da einlässt?«, schleudert sie mir entgegen. »Und wie soll es hier mit deiner Arbeit weitergehen, wenn dir in der Wüste etwas passiert, wenn du vielleicht überhaupt nicht mehr wiederkommst? Das ganze Vorhaben mit diesem Ultramarathon ist doch der schiere Wahnsinn! Hast du jemals mit einem Rucksack einen derart weiten Lauf auf sandigem Untergrund in steilem Gelände absolviert? Oder hast du Erfahrung mit Tropenmedizin? Das ist alles eine Nummer zu groß.«

»Reg dich nicht auf, es wird schon gut gehen«, versuche ich Barbara zu beschwichtigen. Aber sie beruhigt sich nicht.

Natürlich nehme ich die Gefahren ernst, die mein Vorhaben mit sich bringt. Lange Strecken durch die Wüste zu laufen, das Verhalten beim Umgang mit gefährlichen Tieren oder Astronauten-Nahrung als Verpflegung für mehrere Tage – das habe ich alles tatsächlich bislang noch nie getestet. Wie auch? Ein Restrisiko bleibt immer. Aber die eigenen Grenzen auszuloten gehört für einen Extremsportler einfach dazu.

In der Oman-Wüste bin ich schon einmal gelaufen, wenn auch »nur« einen normalen Marathon. Und ich habe mehrere kleinere Läufe unter ähnlichen Bedingungen in anderen Regionen absolviert. Trotzdem nehme ich die Bedenken meiner langjährigen Mitarbeiterin Barbara sehr ernst. Sie hat ja recht.

*

Sanft landet der Flieger in der Hauptstadt des Oman im Nordosten des Landes. Mascat liegt in einer felsigen Bucht am Golf von Oman zwischen dem Meer und dem Hadschar-Gebirge. Vor knapp vier Jahren war ich schon einmal hier, zumMaskat Marathon. In raschen Schritten gehe ich unter Palmen, die seitlich in Pflanzkübeln aufgereiht sind, über den polierten Steinboden des Flughafengebäudes in Richtung Ausgang. Männer in langen, weißen Gewändern eilen an mir vorbei, runde, bestickte Kappen auf dem Kopf, um die viele ein Tuch gewickelt haben. Frauen sind in schwarze Umhänge gehüllt. Solche Bilder sind mir vom ersten Besuch bereits vertraut, trotzdem muss ich mich neu daran gewöhnen, dass hier alles anders aussieht als in heimischen Breiten.

Beim Verlassen des klimatisierten Gebäudes steht die trockene Hitze, die ich sonst so liebe, plötzlich vor mir wie eine undurchdringliche Wand. Nach wenigen Minuten fühlt sich mein Shirt klebrig an. Erleichtert steige ich in ein klimatisiertes Taxi, das mich zur Unterkunft bringt.

 

Mein Adrenalinspiegel steigt, je näher das Ereignis rückt, denn derOman Desert Marathon ist das Extremste, was ich mir bisher zugemutet habe: 172 Kilometer an sechs Tagen. Bei mörderischer Hitze führt der Lauf mitten durch eine riesige Wüste.

 

Am nächsten Tag lädt der Veranstalter alle 105 Teilnehmenden zum Informationstreffen ein. Ich muss ein aktuelles EKG abgeben und werde noch einmal von einem Sportmediziner untersucht. Anschließend wird kontrolliert, ob wir alle vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenstände und Medikamente dabeihaben. Als ich an die Reihe komme, denke ich mir nichts, schließlich bin ich die Ausrüstung zu Hause wieder und wieder durchgegangen. Bis zum Artikel 13 auf meiner Liste verläuft der Check auch reibungslos. Doch dann bekomme ich einen Schreck, als ich den aufgerufene