1. KAPITEL
Salon des Reines, Paris, Frankreich
Der Chauffeur des Comte Jean-Michel Ardois hielt vor dem Brautmodegeschäft in der Rue de L’Echelle. In den vergangenen zwei Wochen war Prinzessin Tuccianna Falcone Leonardi von Sizilien schon dreimal zur Anprobe mit ihrer Mutter hier gewesen. Jedes Mal hatte sie unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, den exklusiven Laden heimlich nach Fluchtwegen untersucht.
Heute Morgen sollte sie zum letzten Mal das Brautkleid anprobieren, um sicherzugehen, dass für die Trauung am nächsten Tag alles perfekt war. Doch Tuccia hatte gar nicht die Absicht, zu der pompösen Hochzeit zu erscheinen, die ihre Eltern und Comte Ardois arrangiert hatten. Seit ihrer aufgezwungenen Verlobung vor zehn Jahren hatte Tuccia von ihrer Freiheit geträumt. Jetzt war der Zeitpunkt für ihre Flucht gekommen.
Madame Dufy, die Geschäftsinhaberin, begrüßte Tuccia und ihre Mutter und führte sie in den Ankleideraum.
„Delphine ist gleich mit Ihrem Kleid bei Ihnen. Es ist genauso wunderschön wie Sie, Prinzessin!“, bemerkte Madame Dufy. Dann eilte sie davon, um ihre Angestellte zu holen.
Auf diesen Moment hatte Tuccia gewartet. Sofort wandte sie sich ihrer Mutter zu, der Marchesa di Trabia. „Ich muss kurz auf die Toilette.“
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
„Ich kann nichts dafür. Du weißt, dass es immer so ist, wenn ich nervös bin.“
„Du bist unmöglich, Tuccia! Dann geh! Aber beeil dich. Wir haben eine lange Liste mit Dingen, die wir heute noch erledigen müssen.“
„Ich bin blitzschnell,mamma.“
Schließlich ist das meine letzte Chance, den Klauen des Grafen zu entkommen!
Tuccia wusste, dass der Comte ihr einen Leibwächter zuteilen würde, sobald sie verheiratet waren, und dass er sie für den Rest ihres gemeinsamen Lebens nicht aus den Augen lassen würde. Sie hatte zufällig mit angehört, wie er es mit ihren Eltern besprochen hatte, die gesagt hatten, sie brauche eine starke Hand. Danach hatte Tuccia ihr Verschwinden umso akribischer geplant …
Sie ging durch den Flur zur Toilette, huschte aber nur hinein, um ihren Verlobungsring auf den Boden neben dem Waschbecken zu legen. Wer ihn fand, konnte denken, was er wollte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie gesehen hatte, lief sie durch einen anderen Flur zur Hintertür – und aus dem Geschäft hinaus.
Von dort waren es nur ein paar Schritte durch die Gasse für den Lieferverkehr zur Straße, wo sie rasch in ein Taxi stieg.
„Zum Flughafen Le Bourget, bitte.“
Ihr Herz wollte einfach nicht aufhören, wie verrückt zu klopfen, als sie losfuhren. Sie blickte zurück. Bis jetzt kam niemand aus der Gasse hinter ihr her. Sie bangte und hoffte den ganzen Weg zum Flughafen, wo sie einen Privatjet bestieg, den ihre Tante Bertina unter