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Idlib,
Syrien
Der syrische Kämpfer stand auf dem Dach des Wohnhauses, beschirmte seine alternden Augen vor der tief stehenden Sonne und beobachtete die Kinder, die sieben Stockwerke unter ihm auf der Straße spielten. Schwitzend und lachend jagten sie in den langen Schatten der Häuser hinter dem Ball her wie Bienen hinter einem Hund, ohne auf ihre ängstlichen Mütter zu hören, die ihnen zuriefen, sie sollten nach Hause kommen und aufräumen. Er schmunzelte.
Kinder waren überall gleich.
Die Waffenruhe war ein Segen. »Allah sei Dank«, murmelte er vor sich hin. Er sah auf seine Uhr. Eine nervöse Angewohnheit. Das schwindende Licht verriet ihm, dass bald die Stimme des Muezzins aus den Lautsprechern ertönen und zum Maghrib rufen würde.
Anfangs hatte er getobt, als sein Bataillonskommandeur, ein Iraker, den Waffenstillstand mit dem Schlächter Assad und seinen Zahlmeistern, den gottlosen Russen, verkündet hatte. Doch in den letzten neun Wochen hatten sie Zeit gehabt, sich auszuruhen, Waffen, Lebensmittel, Treibstoff und Bargeld einzuschmuggeln und sich neu zu formieren. Jetzt waren sie gegen jeden Angriff aus der Nähe gewappnet, und mit ihren Stinger-Raketen hielten sie die gefürchteten russischen Jets und Helikopter fern. Alle hochrangigen Kommandeure der Al-Nusra-Front waren hier stationiert, selbst der Emir wohnte in Idlib, nur drei Häuserblocks entfernt. Solange die Waffenruhe andauerte, war es hier so sicher wie sonst nirgends in Syrien.
Der Krieg schien jetzt weit weg. Eine ferne, schmerzvolle Erinnerung. So viel Blut vergossen, und wofür? Das Leben war besser als der Tod, oder etwa nicht?
Er hatte Verlangen nach einer Zigarette, selbst jetzt noch, nach all den Jahren. Doch Zigaretten warenharam, und mehrere Männer aus seiner Einheit waren exekutiert worden, nur weil sie geraucht hatten. Aber vielleicht ein starker Kaffee nach dem Abendgebet, sagte er sich und folgte mit den Augen den schwarz gekleideten Frauen, die durch die Straße trippelten und händeklatschend und schreiend versuchten, die lachenden Kinder in die Häuser zurückzutreiben.
Der Adhaˉn begann, eine kräftige Stimme rief die Gläubigen zum Gebet. Die vertrauten Worte wärmten seine Seele. Die Moschee würde heute Abend voll sein.
Er ergriff sein Gewehr und ging zur Treppe. Vielleicht war der Krieg tatsächlich vorüber, und diese Kinder würden endlich in Frieden leben können. Allah sei Dank.
Fünfzehn Kilometer südlich von Idlib
Eine