Franko-flämischer Sänger und Komponist, Hauptvertreter der mittleren Renaissance-Generation, »Der Noten Meister«.
Josquin war schon zu Lebzeiten eine Legende.Luther prägte den legendären Satz: »Josquin ist der noten meister, die habens müssen machen, wie er wolt; die anderen Sangmeister müssens machen, wie es die noten haben wöllen.« Seine Werke bestechen durch eine bezwingende Klarheit, die gut hörbar und doch voller Ausdruck ist. Josquins musikalische Rhetorik wurde vorbildlich. Sein Leben ist die typische Biographie eines Sängerkomponisten: Geboren und ausgebildet in Nordwestfrankreich, kommt er nach Italien, geht zunächst nach Mailand, wird später Sänger an der päpstlichen Kapelle in Rom, aber auch an der königlichen Hofkapelle in Frankreich, ist kurze Zeit Kapellmeister am Hof der kunstbeflissenen Herzöge d’Este in Ferrara und verbringt seinen Lebensabend als Propst in Condé-sur-l’Escaut. Es hieß, er komponiere nur, wenn er wolle, wisse, was er wert sei, und stelle deshalb hohe Gehaltsforderungen.
Im um1500 aufkommenden Musikdruck war er ein Superstar: SeinAve Maria ist das Eröffnungsstück in der ersten Sammlung gedruckter polyphoner Musik, demHarmonice Musices Odhecaton, gedruckt1501 vonOttavianoPetrucci (1466–1539). »Josquin« wurde zu einer Marke, die sich auch andere zu Nutze machten, indem sie unter diesem Label eigene Stücke publizierten. Einem maliziösen zeitgenössischen Bonmot zufolge habe Josquin nach seinem Tod mehr Werke komponiert als zuvor (soGeorgForster um1540). Heute hat die Musikwissenschaft deshalb damit zu tun, die echten von den zugeschriebenen Werken zu unterscheiden. Seit den 1980er Jahren istJosquin auch im Konzertleben vermehrt vertreten.
◗Ave Maria, gratia plena (publiziert1484/85). Vierstimmige Motette,7 Minuten.
| Idealtypus der Renaissance-Komposition.
Gibt es etwas Schöneres als dieses Juwel der Vollendung von Form, Ausdruck und Gestimmtheit? Zu Recht gilt diese Motette als eines der berühmtesten Stücke des15. Jahrhunderts. Die Eingangsmelodie ist geradezu modern: aufsteigende Quarte, dann der Stufengang nach oben – volkstümlich und doch im weiteren Verlauf höchstfein verflochten. Sie wandert nach unten, immer zu zweit, später zu dritt, dann zu viert, fortlaufend sich belebend. Die Imitation ist allgegenwärtig, die Musiker singen in kommunikativer Harmonie, ergänzen einander perfekt, die polyphon geführten Stimmen fügen sich zum stimmigen Wohlklang. Zuweilen treten zweistimmige Passagen (Bicinien) auf,Josquin liebt die Durchsichtigkeit.