: Kazuo Ishiguro
: Klara und die Sonne Roman
: Blessing
: 9783641274436
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Roman des Nobelpreisträgers
Klara ist eine künstliche Intelligenz, entwickelt, um Jugendlichen eine Gefährtin zu sein auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Vom Schaufenster eines Spielzeuggeschäfts aus beobachtet sie genau, was draußen vor sich geht, studiert das Verhalten der Kundinnen und Kunden und hofft, bald von einem jungen Menschen als neue Freundin ausgewählt zu werden. Als sich ihr Wunsch endlich erfüllt und ein Mädchen sie mit nach Hause nimmt, muss sie jedoch bald feststellen, dass sie auf die Versprechen von Menschen nicht allzu viel geben sollte.

KLARA UND DIE SONNE ist ein beeindruckendes, berührendes Buch und Klara eine unvergessliche Erzählerin, deren Blick auf unsere Welt die fundamentale Frage aufwirft, was es heißt zu lieben.

Kazuo Ishiguro, 1954 in Nagasaki geboren, kam 1960 nach London, wo er später Englisch und Philosophie studierte. 1989 erhielt er für seinen Weltbestseller 'Was vom Tage übrigblieb', der von James Ivory verfilmt wurde, den Booker Prize. Kazuo Ishiguros Werk wurde bisher in 50 Sprachen übersetzt. Er erhielt 2017 den Nobelpreis für Literatur. Der Autor lebt in London.

Als wir neu waren, standen Rosa und ich in der Ladenmitte, wo auch die Zeitschriften auslagen, und hatten den größeren Teil des Schaufensters im Blick. So konnten wir die Außenwelt sehen – die vorbeihastenden Büroarbeiter, die Taxis, die Läufer, die Touristen, Bettelmann und seinen Hund, den unteren Teil desRPO-Gebäudes. Als wir uns schon ein bisschen eingelebt hatten, erlaubte uns Managerin, nach vorn zu gehen, direkt ins Schaufenster, und da erst sahen wir, wie hoch dasRPO-Gebäude war. Und wenn wir zum richtigen Zeitpunkt da waren, sahen wir die Sonne auf ihrem Weg von den Dächern auf unserer Seite zumRPO-Gebäude hinüberwechseln.

Wenn ich das Glück hatte, sie so zu sehen, hielt ich ihr das Gesicht entgegen, um so viel von ihrer Nahrung aufzunehmen, wie ich konnte, und wenn Rosa bei mir war, riet ich ihr, dasselbe zu tun. Nach ein, zwei Minuten mussten wir wieder auf unsere Position zurück, und als wir neu waren, machten wir uns ständig Sorgen, dass wir womöglich immer kraftloser würden, weil wir die Sonne von der Ladenmitte aus oft nicht sehen konnten.KF Rex, der damals an unserer Seite war, sagte aber, wir müssten keine Angst haben, die Sonne finde immer Mittel und Wege, uns zu erreichen, egal, wo wir seien. Er deutete auf das Parkett und sagte: »Da, das ist das Muster der Sonne. Wenn ihr euch Sorgen macht, könnt ihr es einfach berühren, und schon werdet ihr wieder stark.«

Es waren keine Kunden da, als er das sagte, und Managerin war damit beschäftigt, etwas in den Roten Regalen zu ordnen, und ich wollte sie nicht stören. Ich fragte also nicht um Erlaubnis, sondern warf Rosa einen Blick zu, und als sie mich ausdruckslos anschaute, trat ich zwei Schritte vor, kauerte nieder und streckte beide Hände nach dem Muster der Sonne auf dem Boden aus. Doch es löste sich im selben Augenblick auf, in dem meine Finger es berührten, und obwohl ich alles versuchte, was ich konnte – ich klopfte auf die Stelle, an der es gewesen war, und als das nicht half, rieb ich mit beiden Händen über die Holzdielen –, kam es nicht zurück. Als ich wieder aufstand, sagteKF Rex: »Klara, das war gierig. IhrKF-Mädchen seid immer so gierig.«

Ich war zwar noch neu, mir kam aber sofort der Gedanke, dass die Sonne ihr Muster vielleicht rein zufällig genau in dem Moment zurückgezogen hatte, als ich es berührte, dass ich also gar nichts dafürkonnte. Aber die Miene vonKF Rex blieb ernst.

»Du hast dir die ganze Nahrung allein genommen, Klara. Schau, es ist fast dunkel geworden.«

Tatsächlich war es im Laden jetzt ziemlich düster. Sogar das Abschleppzonenschild am Lampenmast draußen auf dem Gehsteig sah grau und blass aus.

»Entschuldigung«, sagte ich zu Rex, dann zu Rosa. »Entschuldigung. Ich wollte mir nicht alles allein nehmen.«

»Deinetwegen«, sagteKF Rex, »werde ich am Abend kraftlos sein.«

»Du machst einen Scherz«, sagte ich. »Das weiß ich genau.«

»Ich mache keinen Scherz. Es