2
Sommer. Ferien. Im Radio der Kalte Krieg. Mir gelingt es nicht zu verschlafen: Seit fünf Uhr früh dröhnt der Lautsprecher auf dem Dorfplatz Volkslieder, Meldungen der Volksfront, der Weltpolitik, der Kooperative. Und immer wieder heißt es: »der Kalte Krieg«. Neulich sogar, »Der Kalte Krieg ist in seine entscheidende Phase getreten.«
Wie alt ich bin? Zehn oder zwölf.
Ich sehe mich in Maminkas Bett mit dem geschnitzten Adler überm Kopf und einem Adler mit weniger pedantisch geschnitzten Federn am Fußende des Bettes liegen. Der Tag sendet seine Zeichen an mein Ohr: Das Krähen der Hähne im Schatten der Nussbäume, das Gurren der Tauben unterm Fenster, die Stimmen der Frauen, die sich unter der Weide am Dorfplatz versammeln. Gleich werden sie mit Pferdekarren oder Lastwagen aufs Feld gefahren.
»Kalter Krieg«. Die raunende Stimme der Sprechanlage will mir dauernd etwas mitteilen, das ich nicht verstehe. Wörter wie »Kapitalisten«, »Faschisten« und immer wieder »Kommunisten« bohren sich in meinen Schädel. Dann die Pfeife der Tante Mita, die ihre einzige Milchkuh zum Grasen treibt. Und die Gerüche: Palatschinkenduft, gebrannter Zucker, nasser Staub von der Straße. Die Sprechanlage redet sich in Rage. Dieser Kalte Krieg muss nahe sein. Ich frage mich nur, wie nahe.
Der Palatschinkenduft jagt mich aus dem Bett. Ich schaue durch das Fenster: Getümmel. Der Bus aus der Stadt ist soeben angekommen, die Frauen der Siebten Brigade, die immer noch nicht abgeholt worden sind, gestikulieren, als würden sie einander anschreien. Die Herde der Kooperative, die zum Grasen geführt wird, überflutet den Dorfplatz mit ihren braunen Leibern – eine Szene wie im Krieg. Großmutter hat meine Fantasie