: Barbara Rieger
: Friss oder stirb Roman
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218012447
: 1
: CHF 15.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Anna ist mitten in der Pubertät und hat Probleme, wie viele sie haben: Liebeskummer, Stress mit Mutter und Stiefvater, unsicher im eigenen Körper. Zuerst hungert sie, dann beginnt sie zu essen. Sie isst, wenn sie traurig ist, isst, wenn sie allein ist, isst, obwohl sie abnehmen will. Dann beginnt sie, sich zu übergeben und ist schon bald mittendrin und gefangen in einer schweren Essstörung. Während nach außen hin alles in Ordnung scheint, kämpft Anna innerlich jeden Tag gegen die Obsession mit dem Essen und dem eigenen Körper, gegen die zerstörerische Sucht an. Rasant und rhythmisch, ehrlich und eindringlich schildert Barbara Rieger den Verlauf einer Bulimie, erzählt vom Anfang, vom Tiefpunkt und davon, wie vielleicht ein Ausbruch gelingen kann. 'Die Schokolade verklebt Anna den Mund, wird immer mehr, erst süß, dann bitter, dann säuerlich, dann ist sie weg bis auf den schalen Nachgeschmack. Nie wieder ein Stück, denkt Anna, ein Stück noch, denkt sie, nur noch ein Stück.'

Barbara Rieger, geboren 1982 in Graz. Studium in Wien. Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur. Lebt und arbeitet als Autorin und Schreibpädagogin (BÖS) in Wien und im Almtal (Oberösterreich). Betreibt seit 2013 gemeinsam mit Alain Barbero den trilingualen Literatur- und Fotoblog 'Café Entropy', aus dem die Bücher 'Melange der Poesie' (2017) und 'Kinder der Poesie' (2019) hervorgingen. Ihr erster Roman 'Bis ans Ende, Marie' ist im Herbst 2018 bei Kremayr&Scheriau erschienen.

Siebenunddreißig oder:


I wish everybody knew


Bei der Therapeutin sieht es aus wie damals, selbst die Therapeutin sieht aus wie damals, »gut sehen Sie aus«, sagt sie zu Anna.

Anna hat angefangen abzunehmen, als sie aufgehört hat, abnehmen zu wollen, aufgehört hat zu hungern, aufgehört hat darüber nachzudenken, was sie essen soll, angefangen hat zu essen, was immer sie will.

»Es hat lange gedauert, bis Sie mir vertraut haben«, sagt die Therapeutin, als Anna sie fragt, wie sie damals war, »Sie haben niemandem vertraut.«

Anna denkt ans Ende, es ist leichter am Ende zu beginnen als am Anfang. »Du warst die Letzte, die den Opa lebend gesehen hat«, hört sie in ihrem Kopf, wenn sie an den Anfang denkt. Wenn sie an den Anfang denkt, dann sieht sie Erbsenreis auf Asphalt und den Rettungswagen, sie sieht die Oma vor einem Teller mit Kaffee und Sterz, sie sieht die Oma vor einer Schüssel mit Kartoffelsalat und Gurken, die Oma vor einer Schüssel mit Schlagsahne, sie sieht die Oma auf der Klomuschel sitzen, sie hört ihre eigene Stimme, »versprich mir, dass du wiederkommst, versprich es mir«, sie sieht die Oma im Vorzimmer umfallen und wie die Sanitäter sie davontragen.

Anna denkt an den Anfang, sie weiß nicht, wo sie beginnen soll. »Mit Kurt hat alles angefangen«, hat die Mutter immer behauptet, wenn Anna an den Anfang denkt, denkt sie daran, wie alles begonnen hat sich aufzulösen, wie Kurt begonnen hat sich aufzulösen, wie die Freundinnen begonnen haben sich aufzulösen, wie die Familie und der Körper, sie denkt an den Schwindel und an das Silberpapier der Schokolade, ihr wird noch immer schwindlig, wenn sie an den Anfang denkt, ihr wird übel, vi