1. Fragen des Vertrauens
Ein wuchtiger Tritt traf Keyra in die Seite und ließ sie nach Luft schnappen. Ihr Gegner, ein dunkel gekleideter Mann mit Gesichtsvollmaske, kannte keine Gnade und setzte direkt nach. Keyra duckte sich unter einem weiteren Tritt weg und führte einen seitlichen Schlag nach dem Knie des Gegners aus.
Das, was sie hier machte, hatte nichts mehr mit Taekwondo, wie sie es gelernt hatte, zu tun. Es ging lediglich darum, dem Gegner auszuweichen und selbst einen Treffer zu landen, ganz egal wie.
Der Schwarzgekleidete war im Nu wieder bei ihr, ließ einen Schlaghagel auf sie niederprasseln. Keyra wehrte sich, so gut es ging. Sie wich einem Hieb aus, der sie mit Sicherheit quer durch den Raum geschleudert hätte. Leider war sie dabei nicht ganz so elegant, wie sie es sich wünschte, kam ins Taumeln und stürzte mit rudernden Armen rückwärts auf eine Trainingsmatte. Rasch war ihr Gegner über ihr, holte mit der Faust aus und schlug zu. Nur Millimeter vor ihrer Nase hielt er die Hand an.
„Sie haben jetzt eine gebrochene Nase und sind kampfunfähig. Und wenn ich ein Messer oder eine andere Waffe bei mir habe, sind Sie wahrscheinlich tot.“ Der Mann richtete sich auf und zog sich die Vollschutzmaske vom Gesicht. Leopold von Wachtberg fuhr sich mit der Hand durch die verschwitzten schwarzen Locken und sah Keyra vorwurfsvoll an. Dass er schwitzte, lag mit Sicherheit nicht daran, dass ihn der Übungskampf mit Keyra irgendwie gefordert hätte, sondern nur daran, dass es unter der dämlichen Maske, die er unbedingt tragen wollte, sehr heiß wurde.
„Hey, das ist erst mein zweiter Trainingstag, sei mal etwas geduldiger mit mir.“ Keyra hatte am Tag zuvor beschlossen, Leopold zu duzen – auch wenn er ebenso störrisch darauf beharrte, sie zu siezen. Sie fand das furchtbar albern, denn er war höchstens drei oder