1. KAPITEL
Niemals in ihrem ganzen, perfekt organisierten und durchgeplanten Leben hätte Samantha Burkett sich träumen lassen, dass sie eines Tages in eine solche Situation geraten würde – einem wildfremden Mann ausgeliefert und festgeschnallt an den Sitz eines Hubschraubers, der mehrere Hundert Meter über einer endlosen Schneelandschaft einem ihr unbekannten Ziel entgegen flog.
In den neunundzwanzig Jahren ihres Lebens hatte Samantha noch nie so gefroren. Dass sie jetzt hier oben festsaß, war das Ergebnis ihre ersten impulsive Tat – und wohin hatte sie das geführt? Sie fröstelte in ihrer dünnen Jacke. Die Wildnis von Wyoming war ganz offensichtlich nicht die richtige Umgebung für einen maßgeschneiderten Hosenanzug aus Seide und teure italienische Schuhe. Hier war sie weit entfernt von Los Angeles und den strengen Spielregeln der Geschäftswelt, die sie sonst tagtäglich befolgte.
Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange, und Samantha wischte sie hastig fort. Sie dachte, sie hätte all ihre Tränen bereits vor zwei Tagen geweint, als ihre Welt einstürzte. Samantha schüttelte den Kopf, um die schrecklichen Gedanken zu verscheuchen. Dieser Teil ihres Lebens war vorüber, jetzt galt es Pläne für die Zukunft zu schmieden. Vorerst allerdings musste sie sich einen Ausweg aus ihrer momentanen prekären Situation überlegen. Sie atmete tief ein, hielt für ein paar Sekunden die Luft an und atmete langsam wieder aus.
Dann drehte sie sich zu dem Mann neben ihr, dem Mann, der den Hubschrauber flog. Alles war so schnell gegangen, dass sie noch nicht einmal Zeit gefunden hatte, ihn richtig anzusehen. Eben noch hatte sie neben ihrem Wagen gestanden, der auf der Landstraße in einer Schneewehe stecken geblieben war, im nächsten Moment hatte sie diesem Fremden wie ein Mehlsack über der Schulter gehangen, während er auf den Hubschrauber zugelaufen war. Ihr war in diesem Augenblick nur aufgefallen, dass der Mann sehr groß war, eine Sonnenbrille trug und eine dicke Winterjacke anhatte.
Endlich gelang es ihr, ein paar Worte hervorzubringen. „Wer sind Sie?“, fragte Samantha. „Und wo bringen Sie mich hin?“
Er antwortete nicht. Das laute Motorengeräusch und das Knattern der Rotorblätter übertönten ihre Worte und machten jedes Gespräch unmöglich. Deshalb musterte sie ihn stumm weiter, während sie vermutete, dass sie einen kleinen, nahe gelegenen Flugplatz anflogen, wo sie den Pannendienst anrufen konnte und hoffentlich ein Motel für die Nacht finden