: Ödön von Horváth
: Klaus Kastberger, Martin Vejvar
: Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz Horváth, Ödön von - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur
: Reclam Verlag
: 9783159617077
: Reclams Universal-Bibliothek
: 1
: CHF 3.90
:
: Dramatik
: German
: 235
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Horváths 1932 erschienener Theaterklassiker, dessen Uraufführung die Nationalsozialisten zunächst verhinderten, ist heute von den Bühnen nicht wegzudenken: In Anlehnung an das berühmte Zitat aus dem 1. Korintherbrief des Paulus »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen« handelt das Stück vom Schicksal der alleinstehenden, arbeitslosen Elisabeth, die immer wieder von Männern verstoßen, verlassen, verraten wird, und von ihrem Kampf um ein bisschen Glück im Leben. Diese Ausgabe, die auch Vorstufen des Stücks enthält, wird zusammen mit Martin Vejvar herausgegeben und kommentiert von Klaus Kastberger, dem Gesamtherausgeber der neuen historisch-kritischen Horváth-Ausgabe. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Ödön von Horváth (9.12.1901 Su?ak, heute ein Stadtteil von Rijeka - 1.6.1938 Paris) ist vor allem für seine sozialpolitischen Dramen und Romane bekannt. Der österreichisch-ungarische Schriftsteller geht u. a. der Frage nach der Verantwortung und Schuld innerhalb einer Gesellschaft nach. Zu seinen bekanntesten Werken zählen 'Geschichten aus dem Wiener Wald' und 'Jugend ohne Gott'.

[11]Erstes Bild


Szene Nummer 1


Schauplatz: Vor demAnatomischen InstitutmitMilchglasfenstern.

Elisabeth will es betreten und sieht sich noch einmal fragend um, aber es ist nirgends eine Seele zu sehen.

In der Ferneintoniertein Orchester den beliebtenTrauermarsch von Chopinund nun geht ein junger Schupo (Alfons Klostermeyer) langsam an Elisabeth vorbei und beachtet sie scheinbar kaum.

Es ist Frühling.

Szene Nummer 2


ELISABETH(spricht den Schupo plötzlich an, während der Trauermarsch in der Ferne verhallt). Entschuldigens bitte -- aber ich suche nämlich die Anatomie.

SCHUPO. Das anatomische Institut?

ELISABETH. Dort wo man halt die Leichen zersägt.

SCHUPO. Das dort ist das hier.

ELISABETH. Dann ist es schon gut.

  (Stille.)

SCHUPO(lächelt). Gebens nur acht, Fräulein --- da drinnen stehen die Köpf in Reih und Glied.

ELISABETH. Ich habe keine Angst vor den Toten.

SCHUPO. Ich auch nicht.

ELISABETH. Mir graust es noch lange vor nichts.

SCHUPO. In diesem Sinne ---(er salutiertlegereund ab).

[12]Szene Nummer 3


Elisabeth sieht dem Schupo spöttisch nach --- dann fasst sie sich ein Herz und drückt auf den Klingelknopf des Anatomischen Instituts. Man hört es drinnen klingeln und schon erscheint der Präparator in weissem Mantel. Er steht in der Türe undfixiertdie anscheinend unschlüssige Elisabeth.

Szene Nummer 4


PRÄPARATOR. Sie wünschen?

ELISABETH. Ich möchte hier jemand Zuständigen sprechen.

PRÄPARATOR. In was für einer Angelegenheit?

ELISABETH. In einer dringenden Angelegenheit.

PRÄPARATOR. Haben Sieeinen angehörigen Toten bei uns?

ELISABETH. Es dreht sich um keinen angehörigen Toten, es dreht sich um mich selbst persönlich.

PRÄPARATOR. Wieso denn dashernach?

ELISABETH. Sind der Herr hier eine zuständige Instanz?

PRÄPARATOR. Ich bin der Präparator. Sie können sich mir ruhig anvertraun.

  (Stille.)

ELISABETH. Man hat mich nämlich extra darauf aufmerksam gemacht,dass man hier seinen Körper verkaufen kann -- das heisst: wenn ich einmal gestorben sein werde, dass dann die Herren da drinnen mit meiner Leiche im Dienste der Wissenschaft machen können, was die Herren nur wollen -- dass ich aber dabei das Honorar gleich ausbezahlt bekomme. Schon jetzt.

PRÄPARATOR. Das ist mir neu.

ELISABETH. Man hat mich aber extra darauf aufmerksam gemacht.

PRÄPARATOR. Wer denn?

[13]ELISABETH. Eine Kollegin.

PRÄPARATOR. Was sind Sie denn von Beruf?

ELISABETH. Jetzt habe ich eigentlich nichts. Es soll ja noch schlec