|10|Kapitel 1
Beschreibung der vorgestellten Methode und Unterschiede zu anderen Verfahren
Das in diesem Buch vorgestellte Verfahren soll zunächst kurz charakterisiert und von anderen Entspannungsverfahren sowie anderen Varianten der Progressiven Muskelrelaxation abgegrenzt werden.
1.1 Die Methode der „Progressiven Muskelrelaxation“
Die Entspannungsmethode der „Progressiven Muskelrelaxation (PMR)“ (fortschreitende Muskelentspannung), entstand in den 30er Jahren (Jacobson, 1934). Sie wurde von dem amerikanischen Physiologen Edmund Jacobson entwickelt, und wird daher auch vielfach „Jacobson-Training“ genannt. Die Methode der PMR ist im angelsächsischen Sprachraum sehr verbreitet. In Deutschland wurde sie erst mit dem Aufkommen der Verhaltenstherapie in den 70er Jahren bekannt und verbreitet.
Eine Folge der Reaktion auf Stress, Angst etc. ist neben vielen anderen physiologischen Veränderungen (Anstieg der Herzfrequenz, Beschleunigung der Atmung, Erhöhung des Blutdrucks, Senkung des elektrischen Hautwiderstandes, …) ein reflexhafter Anstieg der Muskelspannung. Im Umkehrschluss dazu kann man durch muskuläre Entspannung dem Stresserleben entgegenwirken, dies ist der Ansatzpunkt der PMR. Jacobson fand heraus, dass bei intensiver muskulärer Entspannung unter anderem die Atmung gleichmäßiger wird, die Herzfrequenz abnimmt, die Verdauung zunimmt, mentale und emotionale Aktivität minimiert werden etc. Die Beeinflussung der Stressreaktion durch die Veränderung der Muskelspannung hat den Vorteil, dass die Wahrnehmungsfähigkeit für den Zustand der Muskulatur sowieso relativ gut ausgeprägt ist, jeder Mensch hat ein mehr oder weniger gut entwickeltes Gefühl für den Spannungszustand seiner Muskulatur. Für andere körperliche Parameter, die sich bei Stress ändern, ist dagegen die Wahrnehmungsfähigkeit nur sehr gering oder überhaupt nicht ausgeprägt. So wird es z. B. nur schwer möglich sein, Aussagen über die Höhe des Blutdrucks oder die Höhe des elektrischen Hautwiderstandes treffen zu können.
Das Vorgehen der PMR zur Erreichung des Entspannungszustandes mutet dabei auf den ersten Blick paradox an. Man spannt verschiedene Muskelgruppen zunächst stark an. Danach lässt man die Muskulatur wieder locker und konzentriert sich auf den Übergang von der Anspannung zur Entspannung. Mit diesem Vorgehen fällt es jedoch vielen Menschen leichter, den Entspannungszustand zu erzeugen, da ja zunächst nur die reflexhafte muskuläre Anspannung verstärkt wird, die sowieso bei Anspannungen vorhanden ist. Zusätzlich wird ein Kontrasteffekt zwischen Anspannung und Entspannung erzeugt, der umso höher ist, je höher die vorhergehende Anspannung war. Die Entspannung wird dadurch – zunächst auf rein muskulärer Ebene – unmittelbar spürbar.
Dieser Sachverhalt kann mitAbbildung 1 verdeutlicht werden.
Die erlebte Differenz im Anspannungsniveau ist nach vorherigem Anspannen größer (Differenz als nach dem reinen Entspannen vom Niveau der Grundanspannung aus (Differenz 1).
Eine weitere Analogie für diesen Effekt stellt die Pendelanalogie dar.
Die Entspannung wird dabei mit einer Art „Pendeleffekt“ verglichen: um ein Pendel in eine Richtung (z. B. inAbbildung 2 nach links) zu bewegen (Bewegung A), kann man es in die gewünschte Richtung (nach links) anstoßen oder zunächst in die Gegenrichtung (nach rechts) anheben und dann loslassen (Bewegung B). Die PMR wählt die zweite Vorgehensweise. Die Entspannung wird in einem „fliegenden Start“ erzeugt.
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Ziel des Trainings ist es, die Wahrnehmung für die Anspannung der Muskulatur zu schärfen, Jacobson spricht von einer „Kultivierung der Muskelsinne“. In der Regel halten wir wesentlich mehr Muskulatur angespannt, als wir notwendigerweise müssten. Sie können dies überprüfen, indem Sie sich z. B. auf einen Stuhl setzen und im ersten Schritt versuchen wahrzunehmen, welche Muskulatur im Moment in Ihrem Körper angespannt ist. Im zweiten Schritt können Sie versuchen, möglichst viele Muskelgruppen zu lockern und nur n