LOPACHIN. Der Zug ist angekommen, Gott sei Dank! Wie spät ist es?
DUNJASCHA. Gleich zwei.(Löscht die Kerze.) Es wird schon hell.
LOPACHIN. Wie viel Verspätung hat der Zug wohl gehabt? Mindestens doch ein, zwei Stunden.(Gähnt und reckt sich.) Was mache ich für Dummheiten: Komme extra her, um sie an der Station abzuholen, und nun verschlafe ich mich … Im Sitzen bin ich eingeschlafen … So ein Ärger … Wenn du mich doch geweckt hättest!
DUNJASCHA. Ich dachte, Sie wären weggefahren.(Horcht.) Da, anscheinend kommen sie schon.
LOPACHIN(horcht). Nein … Erst muss das Gepäck noch abgeholt werden und dies und das …
(Pause.)
Ljubow Andrejewna hat fünf Jahre im Ausland gelebt. Ich weiß nicht, wie sie jetzt ist … sie war ein guter Mensch, natürlich und einfach. Ich erinnere mich: Als ich ein Junge war, so fünfzehn Jahre alt, da hat mein verstorbener Vater, der damals im Dorf einen Kramladen hatte, mich einmal mit der Faust ins Gesicht geschlagen,[8]so, dass das Blut aus der Nase rann … Wir waren aus irgendeinem Grund auf den Gutshof gekommen, und er war angetrunken. Ljubow Andrejewna, ich sehe sie vor mir, war noch jung, und so schlank, sie führte mich zum Waschbecken, das war hier in diesem Zimmer, dem Kinderzimmer. »Weine nicht«, sagte sie, »du kleiner Bauer, bis zur Hochzeit ist alles wieder heil!«
(Pause.)
»Kleiner Bauer!« … Mein Vater war wirklich ein Bauer, ich stehe nun aber mit weißer Weste da, in gelben Halbschuhen. Mit dem Schweinerüssel im Kuchenladen. Nur, dass ich reich geworden bin und viel Geld habe, aber wenn man’s sich überlegt, bleibt ein Bauer eben ein Bauer.(Blättert in dem Buch.) Das Buch da habe ich gelesen, und verstanden habe ich nichts. Ich bin beim Lesen eingeschlafen.
(Pause.)
DUNJASCHA. Und die Hunde haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie wittern, dass die Herrschaft kommt.
LOPACHIN. Was hast du bloß, Dunjascha …?
DUNJASCHA. Mir zittern die Hände. Gleich falle ich in Ohnmacht!
LOPACHIN. Ganz schön empfindlich bist du, Dunjascha! Und ziehst dich an, wie eine junge Dame, und dann die Frisur. So geht’s doch nicht. Man darf nicht vergessen, wer man ist.
(Jepichodow tritt ein, mit einem Blumenstrauß. Er trägt ein Jackett und blankgeputzte Stiefel, die bei jedem Schritt laut knarren. Beim Eintreten fällt ihm das Bukett hin.)
JEPICHODOW(hebt den Strauß auf). Das da schickt der Gärtner. Ins Speisezimmer stellen, sagt er.(Gibt Dunjascha den Strauß.)
[9]LOPACHIN. Und mir bring Kwass mit!
DUNJASCHA. Jawohl, mein Herr!(Ab.)
JEPICHODOW. Nachtfrost hat es heute gegeben, drei Grad Kälte, dabei stehen die Kirschen in Blüte. Ich kann unser Klima nicht billigen!(Seufzt.) Ich kann’s einfach nicht. Unser Klima kann im gegebenen Falle nicht günstig sein. Sehen Sie, Jermolaj Alexéitsch, gestatten Sie mir, Ihnen darzulegen, dass ich mir vorgestern neue Stiefel gekauft habe, jedoch, gestatten Sie mir, Ihnen zu versichern, sie knarren derart, dass es nicht auszuhalten ist. Womit könnte ich sie wohl schmieren?
LOPACHIN. Hör auf! Du gehst mir auf die Nerven!
JEPICHODOW. Jeden Tag stößt mir irgendein Unglück zu. Aber ich beklage mich n