Einleitung
Als ich mich entschlossen hatte, dieses Buch zu schreiben, stellte sich mir die Frage, wie ich mit meiner Vorgeschichte umgehe. Einerseits ist es wichtig, zu verstehen, dass Adipositas nicht ohne Grund entsteht und jeder, so auch ich, ein Produkt seiner Lebensgeschichte ist. Andererseits hat das, was ich teilen kann und will auch Grenzen. Mir ist heute bewusst, dass es viele Probleme in meiner Familie gab, die das Entstehen meiner Adipositas gefördert haben. Aber mit dem Abstand, den ich heute habe, sehe ich auch immer mehr meinen Anteil daran.
Ich stamme aus einer typischen Arbeiterfamilie
Ich wurde in eine typische Arbeiterfamilie der 1970er-Jahre geboren. Die Sorte, über die Comedians gerne Witze machen, wie »wir haben unsere Kindheit mit giftgrünen Gummibärchen, Autofahren ohne Kindersitze oder Skifreizeiten überlebt«. Bereits in der Grundschule hatte ich mehr auf den Rippen als die anderen Kinder. Ich war immer verträumt und sensibel. Hatte ich die Wahl, dann verbrachte ich meine Freizeit lieber mit einem Buch oder vor dem Fernseher, als mit den anderen aus dem Dorf draußen zu spielen. Ich hatte auch Freunde, mit denen ich gemeinsam im Haus spielte – gleich und gleich gesellt sich gern. Natürlich verbrachten wir auch Zeit im Freien, fuhren Fahrrad, gingen schwimmen, aber ich gehörte nicht zu den Kindern, die während der Sommerferien morgens aus dem Haus gingen und nur zu den Mahlzeiten und zum Schlafen nach Hause kamen.
Mir fiel damals noch nicht auf, dass die anderen, im Gegensatz zu mir, schlank waren und blieben. Heute sticht es mir umso deutlicher ins Auge. Ich glaube, zuerst spielen die Gene eine Rolle, denn ich stamme aus einer Familie, in der viele (fast muss ich sagen, die meisten) mit unterschiedlichem Erfolg mit ihrem Gewicht kämpfen. Offensichtlich gehören wir zu den guten Futterverwertern. Für die Menschheit eine Qualität, die unser Überleben in Krisenzeiten gesichert hat, für mich in Zeiten des Überflusses eine Bürde.
Der Tisch war immer reich gedeckt
In meiner Familie kam pfälzische Hausmannkost auf den Tisch. Geprägt durch schwierige Zeiten davor, war meiner Familie ein reich gedeckter Tisch immer wichtig. Noch deutlicher zeigte sich das an Feiertagen und Geburtstagen, die an mittelalterliche Festgelage erinnerten. Natürlich waren es auch tolle Zeiten und wir drückten Liebe auch mit leckerem Essen aus. Es gab jede Menge Fleisch, weil mein Vater eine echte Fleischpflanze war, was er gerne mit dem Spruch »ich esse Gemüse, wenn es durch die Wutz gegangen ist« untermalte.
Meine Mutter achtete darauf, dass es auch Gemüse und Salat gab, wobei ich mich nicht erinnern kann, dass es jemals gedünstetes Gemüse pur gegeben hätte. Entweder wurde es mit reichlich Butter, Speck und anderen fettreichen Zutaten versehen oder es kam in einer Mehlschwitze mit einer Menge Sahne daher. Selbst der Salat wurde oft mit Sahne oder Speck vermengt. Und wir hatten einen Süßigkeitenschrank, der immer gut gefüllt war.
Bereits als Kind gehörte ich zu den Menschen, die, wenn sie etwas Gutes essen, nicht mit einer Portion zufrieden sind. Esse ich etwas Leckeres, dann will ich mehr davon essen, das ist noch heute so.
In Kombination mit meiner Neigung, schnell zuzunehmen ein echtes Problem. Natürlich versuchte meine Mutter dagegenzusteuern