: Nagib Machfus
: Die himmlische Begegnung Ausgewählte Erzählungen
: Unionsverlag
: 9783293305755
: 1
: CHF 7.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Neben seinen großen Romanen hat Nagib Machfus zahlreiche Erzählungen geschaffen, in denen sich seine Kunst in höchster Konzentration entfaltet. Liebevoll und heiter rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, dass unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist. Dieser Band versammelt Kurzgeschichten und Novellen aus allen Schaffensphasen, die auf Deutsch nicht mehr greifbar oder gar nie in Buchform erschienen sind.

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche 'Vater des ägyptischen Romans'. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.

Zaabalawi


Ich war überzeugt, dass ich Scheich Zaabalawi finden musste. Ich hatte seinen Namen zum ersten Mal in einem Lied gehört:

Was ist mit der Welt geschehen, Zaabalawi,

sie kehren das Unterste zuoberst und machen sie öd.

Damals, in meiner Kindheit, war das Lied sehr bekannt gewesen. Eines Tages kam mir der Gedanke, meinen Vater danach zu fragen, so wie Kinder eben nach allem fragen. Ich fragte ihn also: »Vater, wer ist Zaabalawi?«

Er blickte mich zögernd an, als zweifele er daran, dass ich die Antwort schon verstehen würde. Schließlich sagte er: »Möge er dich segnen, er ist ein wahrer Gesandter Gottes, er trägt alle Sorgen und Nöte. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre ich elendig gestorben.«

In den folgenden Jahren hörte ich immer wieder, wie man diesen guten Heiligen und dessen Wundertaten pries. Die Jahre vergingen, ich wurde des Öfteren krank, aber für jede Krankheit gab es ohne große Mühe und Kosten geeignete Heilmittel. Aber dann befiel mich eine Krankheit, gegen die niemand ein Mittel wusste. Als ich keinen Ausweg mehr sah und völlig verzweifelte, fiel mir plötzlich ein, was ich in meiner Kindheit gehört hatte. Ich fragte mich: Warum gehe ich nicht zu Scheich Zaabalawi? Ich erinnerte mich, dass mein Vater mir gesagt hatte, er habe ihn in Scheich Kamars Haus im Chan Gafar kennengelernt. Kamar war einer der Scheichs, die an den religiösen Gerichtshöfen Recht sprachen. Ich wollte also sein Haus suchen, wollte feststellen, ob er noch immer dort lebte.

Gleich unten im Haus fragte ich einen Bohnenverkäufer. Er sah mich überrascht an. »Was, Scheich Kamar? Der ist schon lange fort von hier. Man sagt, er wohne jetzt in Garden City. Sein Büro soll am Azharplatz sein.«

Ich suchte die Adresse seines Büros im Telefonbuch und machte mich auf den Weg zum Gebäude der Handelskammer, in dem sich auch sein Büro befinden sollte. Ich meldete mich an und trat in sein Zimmer, aus dem gerade eine sehr hübsche Dame kam, die mich mit einem wunderbaren Parfüm einhüllte. Scheich Kamar empfing mich lächel