Es ist einfach, unkomplizierte Kinder zu lieben; die Kunst besteht darin, die schwierigen zu lieben.
Als junge Frau von 28 Jahren kannte ich mich selbst überhaupt noch nicht. Ich war unsicher, eine graue Maus, eine Nebenfigur, melancholisch und einsam. Konversationen? Kannte ich nicht. Freunde? Vielleicht einen. Ich nahm am Sozialleben meines Partners teil, aber auch den Menschen, die er mir vorstellte konnte ich mich nur schwer öffnen. Die wenigen Themen, mit denen man mich aus meinem Schneckenhaus locken konnte, waren die Verbesserung der Welt und der Klimaschutz. Beides war mir sehr wichtig. Ich versuchte zu verwirklichen, was ich predigte, aber meine Handlungen waren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und ich fühlte mich nutzlos. Auf der anderen Seite fand ich mich toll, weil mir unsere Welt und das Klima ein Anliegen waren. Ich sah auf andere Menschen herab, die so taten, als gäbe es keine Probleme auf unserer Welt. Für sie gab es nur Spaß und kopflosen Konsum, als gäbe es kein Morgen. Ich hingegen dachte, dass wir auf diese Weise uns und unsere Welt zugrunde richten. Wie konnten diese Menschen die Augen so verschließen? Viele von ihnen fand ich ignorant und uneinsichtig – was mich nicht gerade bei ihnen beliebt gemacht hat. Irgendwann fand ich mein einsames, düsteres Leben so wertlos, dass ich vorhatte, verschmutztes Wasser aus einem großen Fluss als Trinkwasser zu nutzen. Auf diese Weise sollte für die Welt sichtbar werden, wie stark unsere Umwelt verunreinigt ist. Der Tod saß mir im Nacken. Ich wollte als leidendes Vorbild dienen, um aufzuzeigen, dass wir uns auf dem Holzweg befinden. Ich teilte meine Absichten zwei Menschen mit, die mir meine Idee wieder ausredeten. Aber wenn ich nicht einmal dieses Opfer für die Welt bringen konnte, was war mein Leben dann noch wert? Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, um mein Anliegen sinnvoll der Welt zu vermitteln, jedoch ohne Erfolg. Ich saß neben meinem Kachelofen und las unter anderem über den »Club of Rome«, eine Expertengruppe, die davor warnte, dass es »fünf vor zwölf« sei. Wenn nicht einmal sie ernst genommen wurden, wie sollte ich dann etwas ausrichten können? Mein Kopf stand im Begriff zu platzen. Ich hasste mich selbst und in meinen Augen war ich eine Versagerin. Ich kam zu dem Entschluss, dass ich etwas tun musste, um das Blatt zu wenden, auch wenn es nicht für die Welt, sondern für mich selbst war. Ich musste etwas Positives finden, um mich aufzubauen. Vielleicht half ein zweites Studium? Nach meinem Lehramtsstudium begann ich daher, klassische Homöopathie zu studieren. Auf diesem Gebiet konnte ich zwar anderen helfen, aber es fühlte sich für mich wie ein langer Umweg an. Das Studium faszinierte mich, allerdings belastete es auch meinen ohnehin schon viel zu vollen Kopf. Dennoch sah ich es als eine gute Alternative zu meinen destruktiven Plänen, und nach für nach fand ich immer größeren Gefallen daran.
Während dieser Umbruchsphase besprachen mein Mann und ich unsere Familienplanung. Meine biologische Uhr tickte. Ich habe immer behauptet, keine Kinder zu wollen. Die Gründe lagen (für mich) auf der Hand. Überbevölkerung war einer, aber ich war auch der festen Überzeugung, dass ich kein Kind in unsere düstere Welt setzen wollte. Außerdem konnte ich nichts an Kindern finden. Sie waren mir zu spontan, zu sprunghaft und zu launisch. Ich konnte sie nicht verstehen und, last but not least, hatte ich mit mir selbst alle Hände voll zu tun. Doch in meinem tiefsten Inneren machte sich eine weitere Stimme bemerkbar: Vielleicht wollte ich sie doch … trotz allem, was dagegensprach. Diese Stimme bekam keine große Chance. Die Vernunft sprach zu mir: Mit Kind hätte ich zu wenig Zeit für mein Studium und um mir mein