Willkommen in der Hölle!
Links und rechts von Vittorio spritzten Erde und Steine durch die Luft. Es war Mittwoch und die Schlacht dauerte nun schon fünf Tage. Fünf Tage, in denen sie zum ersten Mal etwas vorrücken konnten. Doch dann mussten sie wieder in die Stellungen zurück. Vor, zurück. Etwas vor, weiter zurück. Ein bisschen vor. Ein Todesreigen. Und das Leichenorchester spielte auf. Dazu trommelten die Kanonen, sie gaben den Rhythmus des Sterbens vor.
Mit jeder neuen Detonation drückte Vittorio Robusti sich noch fester gegen den Erdwall. Mehr Schutz gab es nicht. Er umklammerte sein Gewehr. Es war das Einzige, woran er im Moment Halt finden konnte. Der Befehl zum Angriff war schon vor Stunden gekommen, doch sie saßen in der Falle, wie schon so oft. Wer es nicht wahrhaben wollte, wurde von den Maschinengewehrsalven niedergemäht. Die österreichisch-ungarischen Verteidiger auf der anderen Seite hatten sich eingegraben, und von beiden Seiten pfiffen die Kugeln über den Fluss. Die schweren Geschütze rissen Löcher in die Erde. Seit Tagen hingen sie fest. Die Luft war mittlerweile schwer von dem vielen Pulverdampf. Die Hitze machte einem das Atmen fast unerträglich. Hinzu kam der süßliche Verwesungsgeruch, der sich mit dem Pulver und dem Rauch der brennenden Bäume und Leichen vermischt hatte und wie zähflüssiges Bitumen die Lungen verstopfte. Abgesehen vom Donnern der Haubitzen waren die Schreie der Verwundeten und Sterbenden unerträglich. Der Piemonteser aus seiner Einheit schien es ausgestanden zu haben. Er hatte aufgehört zu wimmern. Er war einer der Ersten, der mit lautem Hurra aufgesprungen war und den gleich die erste Salve von drüben zu Fall gebracht hatte. Vittorio hatte den Kopf eingezogen und sich sofort hinfallen lassen, als mechanisches Knattern eingesetzt hatte. Der Piemonteser hatte die Augen weit aufgerissen und war der Länge nach in den Graben zurückgekippt, die Uniform überall rot gesprenkelt. Er hatte ihn für tot gehalten, doch nach gut zwei Stunden hatte er wieder zu stöhnen und zu klagen begonnen. Nur Sanitäter waren keine gekommen. Die kamen erst, wenn die Todesmelodie der Maschinengewehre verstummt war. Jetzt war es zu spät. Das zählte nichts in diesem Krieg. Niemand holte die Verletzten, niemand holte die Toten. Seit Tagen schon nicht.