WILLKOMMEN IM LEBEN
Die Teenager-Rebellion drängte mich dazu, mit 17 von zu Hause auszuziehen – und plötzlich musste ich neben den Vorbereitungen aufs Abitur arbeiten, um mir mein Leben zu finanzieren. Schluss mit gewaschener Wäsche, Adieu voller Kühlschrank. Dafür begrüßte ich jede Menge Rechnungen und eine Kostenkalkulation über meine Ausgaben.
Ich veränderte mich und mein Lebensstil wandelte sich ebenfalls drastisch. Schneller, als mir lieb war, kam von Jahr zu Jahr mehr Verantwortung auf mich zu. Ich fing an, mir Gedanken über mein Leben zu machen und darüber nachzudenken, was ich eigentlich mit mir anfangen wollte. Ich erinnere mich, dass ein Lehrer in der zehnten Klasse uns nach unseren Berufswünschen fragte. Die meisten meiner Klassenkameraden hatten eine genaue Vorstellung davon, was sie machen wollten. Mein bester Freund zum Beispiel war sich sicher, dass er eine Karriere als Chemikant machen würde – was er im Übrigen auch sehr erfolgreich gemeistert hat. Nur ich wusste nicht, was ich werden wollte. Ich erinnere mich, dass mich allein der Gedanke daran, eine Entscheidung treffen zu müssen, wütend machte. »Wie kann man von einem so jungen Menschen erwarten, eine Entscheidung für das gesamte Leben treffen zu können?«, dachte ich. Ich wusste noch nicht einmal, was ich zu Mittag essen wollte, wie sollte ich da entscheiden, womit ich die nächsten Jahrzehnte meinen Lebensunterhalt finanzieren sollte.
Nach zwei kurzen Alibi-Studiengängen, die nur dazu dienten, Zeit zu schinden, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen: Ich wollte lieber ein volles Herz als ein volles Portemonnaie. Vor allem aber wollte ich eine bewusste Entscheidung treffen. Nicht eine, die mich irgendwann ins Unglück stürzte. Und so fragte ich mich: »Welche Vorstellung hast du vom Leben? Was macht dich eigentlich glücklich – nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft und vielleicht sogar bis ins hohe Alter? Was kannst du aus deinen Möglichkeiten machen? Welche Fähigkeiten zeichnen dich aus?«
»Schon als kleiner Junge fühlte ich mich stark zu Hunden hingezogen. Aber es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich endlich erfuhr, was mir diese Tiere wirklich geben können.«
Ich liebte Tiere, insbesondere Hunde, das wusste ich. Sie faszinierten mich. Ich konnte sie stundenlang beobachten. In ihrer Gegenwart verspürte ich eine Ruhe, die mich für einen Augenblick von allem löste. Hunde waren für mich die unkomplizierteren Menschen. Schon als kleines Kind in Afghanistan beobachtete ich die Straßenhunde und fühlte mich wahnsinnig zu ihnen hingezogen. Doch was könnte ich mit dieser Liebe anfangen?
Wo meine Hunde sind, bin ich zu Hause. Erst durch sie fühle ich mich angekommen.
Irgendwann stieß ich auf den Begriff »Hundeverhaltenstherapie«. Ich hatte noch nie zuvor davon gehört und wusste nicht, dass es diesen Beruf überhaupt gab – und wie vielfältig er wirklich ist, sollte ich erst Jahre später bemerken.
Ich würde lügen, würde ich sagen, ich wäre mir von Anfang an zu 100 Prozent sicher gewesen. Meine Eltern hatten schließlich viel auf sich genommen, um mir und meiner Schwester unsere Freiheit zu ermöglichen. Mein Vater trug als junger Mann die gesamte Verantwortung für die Familie auf seinen Schultern und zog mit uns über drei Jahre hinweg erst von Afghanistan nach Pakistan, dann nach Russland und schließlich nach Deutschland. Er konnte damals nicht einfach so seinem Traum folgen und genoss nicht den Luxus, sich von seinem persönlichen Glück tragen zu lassen. Er hatte Pflichten. Ich wollte s