: Margaret Owen
: Krähenzauber (Die zwölf Kasten von Sabor 2)
: Carlsen Verlag GmbH
: 9783646900262
: Die zwölf Kasten von Sabor
: 1
: CHF 8.90
:
:
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Königreich in Flammen, eine Liebe in Gefahr Die Krähen-Hexe Stur ist jetzt offiziell Anführerin ihrer schutzbedürftigen Rotte. Darum hofft sie, dass Prinz Jasimir Wort hält und endlich für die Sicherheit der Krähen-Kaste sorgt. Denn erst dann kann Stur eigene Wege gehen, vielleicht zusammen mit Habicht-Krieger Tavin. Aber als Jasimirs machtgierige Stiefmutter den König tötet und den Krähen die Schuld gibt, scheint jede Chance auf eine gute Zukunft verloren. Stur sieht nur einen Weg: Sie braucht Jasimir und Tav an ihrer Seite - und genügend Phönix-Zähne, um ein Feuer zu entfachen, das das Königreich in seinen Grundfesten erschüttert.   Abschlussband der düster-magischen Fantasy-Serie - eindringlich erzählt, leidenschaftlich erlebt!

Margaret Owen wuchs in Oregon City auf. Sie hat in vielen Bereichen gearbeitet, vom Secondhandladen bis zur Wahlkampagne, und immer etwas dazugelernt. Inzwischen konzentriert sie sich aufs Schreiben und darauf, ihre zwei Monsterkatzen im Zaum zu halten. Sie liebt Reiseziele, vor denen alle warnen, und sammelt mit eigenen Illustrationen Gelder für gemeinnützige soziale Einrichtungen. Margaret Owen lebt zurzeit in Seattle.

EINS


Die tausend Eroberungen

Stur brauchte viel zu lange, um dem Mädchen die Kehle durchzuschneiden.

Es war nicht der Akt, der ihr Schwierigkeiten bereitete – in den drei Wochen, seit sie Flügelherrin ihrer Rotte war, hatte sie über ein halbes Dutzend Mal Barmherzigkeit walten lassen. Vergangenen Mond hatte Tavin ihr erklärt, dass das Töten mit der Zeit leichter werden würde, obwohl es das nicht sollte. Seitdem hatte Stur genug Leben mit ihrer Klinge beendet, um zu wissen, dass daran etwas Wahres war.

Der Grund, weshalb sie jetzt damit haderte, war die Sünderin.

Sie hatte auf der Pritsche gesessen, als Stur die Quarantänehütte betrat, ihre dunklen Augen gebieterisch, der Mund ein unnachgiebiger Balken, gleich dem draußen vor der Tür. Ihr kurzärmeliges Leinenhemd war von feinster Qualität, wenn auch ungewöhnlich schlicht für die einzige Tochter einer Pfauen-Oberherrin. Das schwarze Haar war zu einem ordentlichen, glänzenden Zopf geflochten und noch nicht brüchig und stumpf vom Fieberschweiß. In ihrem Schoß lag eine halb geöffnete Schriftrolle und durch das mit Segeltuch verhangene Fenster drang gerade so viel Mittagssonne herein, dass das Licht zum Lesen reichte.

Stur schätzte, dass die Sünderin etwa in ihrem Alter war, aber näher an siebzehn als an sechzehn. An ihren Schläfen hatten sich feine, dunkel geäderte Kreise gebildet – noch schwach und erst wenige Stunden alt, dennoch ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Pfauenmädchen nicht mehr lange zu leben hatte. Kürzer noch seit Sturs Ankunft.

Meist waren die Sünder, zu denen sie gerufen wurde, fiebrig, benommen und mitunter sogar schon tot. Wen die Sündenseuche einmal in den Fängen hatte, den ließ sie nicht mehr los, sie raubte ihren Opfern jede Würde. Noch nie hatte ein Sünder Stur so angesehen wie dieses Mädchen – als wäre die Flügelherrin ein Wolf, der einer Weide zu nahe kommt.

Eigentlich hätte sie die Maske aufbehalten müssen, aber sie nahm sie ab.

Eigentlich hätte sie das geborstene Schwert ziehen müssen, aber sie ließ es stecken.

Eigentlich hätte sie dem Pfauenmädchen befehlen müssen, die Augen zu schließen, aber sie deutete mit dem Kinn auf die Schriftrolle und fragte: »Was liest du da?«

Das Mädchen lehnte sich zurück und betrachtete sie hochmütig aus zusammengekniffenen Augen. »Das geht dich nichts an – du kannst ohnehin nicht lesen.« Mit diesen Worten warf sie Stur einen kleinen Beutel hin, in dem etwas klackerte. »Da. Mach schnell und sauber.«

Der Beutel war voller Milchzähne. Als Stur einen davon herausnahm, sang er laut und harsch in ihren Knochen.Niemi Navali szo Sakar, erklärte er,Tochter von …

Stur riss die Hand zurück. Der Zahn stammte von Niem… – vonder Sünderin und würde erst nach ihrem Tod leiser werde