: Markus Gabriel
: Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten Universale Werte für das 21. Jahrhundert
: Ullstein
: 9783843724081
: 1
: CHF 9.90
:
: Allgemeines, Lexika
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses Buch ist ein philosophisches Handbuch, das einen Entwurf der Aufklärung gegen den Wertenihilismus unserer Zeit bietet. Markus Gabriel gibt uns eine neue Antwort auf die Hauptfrage der Philosophie: 'Was ist der Mensch?' Die Krise der liberalen Demokratie und die Ausbreitung des Populismus folgen dem Muster einer Selbstabschaffung des Menschen. Der Diskurs über Künstliche Intelligenz und die hemmungslose Digitalisierung verstärken diese fatale Entwicklung noch. Doch trotz aller gegenwärtigen Rückschläge: Die Menschheit ist zu moralischem Fortschritt fähig. In seinem engagierten Buch zeigt Markus Gabriel, Deutschlands weltweit bekanntester Gegenwartsphilosoph, warum es nicht verhandelbare, universale Grundwerte gibt, die für alle Menschen gelten. Er zeigt: Wir bedürfen dringend eines innovativen Konzepts der Kooperation von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, um ein Gesellschaftssystem zu entwerfen, das auf moralischen Fortschritt zielt.  'Einer der wichtigsten deutschen Philosophen der Gegenwart' Süddeutsche Zeitung

Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Er ist Direktor des interdisziplinären Center for Science and Thought und regelmäßiger Gastprofessor an der Sorbonne (Paris 1) sowie der New School for Social Research in New York City.  

Erstes Kapitel
Was Werte sind und warum sie universal sind


Im vorliegenden Kapitel geht es um die ethischen Grundbegriffe der neuen Aufklärung, die sich aus einigen Kernthesen ergeben. Die Kernthesen des Neuen Moralischen Realismus15 lauten:

Kernthese 1: Es gibt von unseren Privat- und Gruppenmeinungen unabhängige moralische Tatsachen. Diese bestehen objektiv.

Kernthese 2: Die objektiv bestehenden moralischen Tatsachen sind wesentlich durch uns erkennbar, also geistabhängig. Sie richten sich an Menschen und stellen einen Moralkompass dessen dar, was wir tun sollen, tun dürfen oder verhindern müssen. Sie sind in ihrem Kernbestand offensichtlich und werden in dunklen Zeiten durch Ideologie, Propaganda, Manipulation und psychologische Mechanismen verdeckt.

Kernthese 3: Die objektiv bestehenden moralischen Tatsachen gelten zu allen Zeiten, in denen es Menschen gab, gibt und geben wird. Sie sind von Kultur, politischer Meinung, Religion, Geschlecht, Herkunft, Aussehen und Alter unabhängig und deswegen universal. Die moralischen Tatsachen diskriminieren nicht.

Kernthese 1 werde ich als moralischen Realismus ansprechen. These Nummer 2 betrifft uns Menschen als diejenigen freien geistigen Lebewesen, an die moralische Ansprüche ergehen. Sie nenne ich deswegen Humanismus. Nummer 3 schließlich bezeichnet man üblicherweise als Universalismus.16

Als einprägsamen Slogan dieses Kapitels können wir zwei fiktive Staatenkonzepte miteinander kontrastieren. Das erste nenne ich PRN. P steht für Pluralismus, R für Relativismus und N für Nihilismus. Die Konstellation von Wertepluralismus, Werterelativismus und Wertenihilismus halte ich für ein Übel, weil darunter insgesamt die Idee zu verstehen ist, dass moralische Kodizes, also Wertesysteme, einfach nur dadurch entstehen und aufrechterhalten werden, dass sich eine mehr oder weniger beliebige Gruppe von Menschen ihnen verschreibt. Werte sind diesem Modell zufolge Glaubenssätze, die eine Gruppe zusammenhalten, sodass ihre Geltung auch nur auf eine Gruppe beschränkt ist.

Ein Beispiel dafür wären die Wertvorstellungen einer evangelikalen, fundamentalistisch-christlichen Gemeinde, die jegliche Form von Abtreibung sowie jeglichen Alkoholkonsum, gleichgeschlechtlichen Sex und in vielen Fällen sogar Kaffee und Tee als moralisch abwegig, da in den Augen Gottes verwerflich betrachtet. Viele christlich-fundamentalistische Gruppen, etwa die Zeugen Jehovas, glauben auch, es gebe nur einige auserwählte Menschen, an die sich Gott mit seinen