Der erste Tag
Mein Bruder Nick und seine Frau Sabine erwarteten mich am Bahnhof. Nach herzlichen Umarmungen und Küsschen hier, Küsschen dort setzten wir uns in den großen Wagen meines Bruders und fuhren zu ihrer Wohnung, die in der nächsten Zeit auch mein Domizil werden sollte.
Es war eine große, schöne, sehr geschmackvoll eingerichtete Wohnung, in der die pflegende Hand meiner Schwägerin deutlich zu erkennen war. Nacheinem Begrüßungstrunk übergab ich die kleinen Geschenke von unseren Eltern und ebenso ihre Grüße, wobei ich auch die Küsse, die speziell an Sabine gerichtet worden waren, nicht vergessen habe. Ich erzählte, dass es der betonte Wunsch meiner Eltern war, diese ihr persönlich zu überreichen, was den Gefallen der beiden fand. Seltsam war nur, dass mir Sabine nicht ihre Wange, sondern ihren roten Mund anbot. Ihr Mund war warm und weich, und fast hätte ich durch diese Berührung sündige Gedanken bekommen, die ich allerdings schnell verdrängte; es handelte sich doch um die Frau meines Bruders.
Es war eben Mittagszeit, und Sabine deckte den Tisch. Das Essen wurde aufgetragen, und es schmeckte hervorragend. Nach dem Essen schlug mir Nick, der eigentlich Nikolaus hieß, einen Spaziergang vor, um mir die nähere Umgebung zu zeigen. So ließen wir Sabine alleine zurück und gingen zu Fuß los.
Die Hauptstadt überwältigte mich. Es war ein krasser Unterschied zwischen meiner Heimatstadt, die eigentlich, wie ich schon erwähnte, ein verschlafenes Provinznest war, und dieser Metropole mit den Prachtbauten, dem riesigen Verkehr und den vielen eleganten Geschäften. Meine Augen saugten dieses Panorama auf, und ich hörte meinem Bruder kaum zu, der mir alles erklärte und ununterbrochen sprach. Das einzige, was mir dabei auffiel, war, dass er mehrmals erwähnte, dass wir beide, das heißt er und ich, uns einmal ›von Mann zu Mann‹ unterhalten sollten. Doch ich maß dem keine besondere Bedeutung bei.
Den Abend haben wir dann zu dritt in einem erstklassigen Lokal verbracht, wo am reich gedeckten Tisch auch alkoholische Getränke reichlich flossen. Solchen Luxus war ich nicht gewohnt, und mir stieg der Alkohol auch ziemlich schnell in den Kopf. Allerdings hatte ich nur einen leichten Schwips, betrunken war ich nicht.
Eine erstklassige Kapelle spielte im Saal, und auf dem Parkett drehten sich die Paare im Rhythmus der Musik. Sabine gab mit einem fragenden Blick zu verstehen, dass sie gerne tanzen möchte. Nick wehrte ihren Wunsch damit ab, dass sein Ischias ihn wieder mal plage.
»Aber mit Andy kannst du tanzen«, sagte er dann.
Dieser Andy war ich. Eigentlich heiße ich Andreas, wurde in der Familie und der Verwandtschaft aber nur Andy genannt, wie auch Nikolaus auf den Namen Nick hörte.
»Ich hoffe, du kannst tanzen?«, fragte dann Nick, ohne eine Antwort zu erwarten.
Nun, ich konnte, in der Tanzschule war ich einer der besten, und so schritten wir, Sabine und ich, zum Parkett.
Es wurde eine flotte Tanzmusik gespielt, und Sabine schaute mich anerkennend an, als sie meine Tanzkünste kennenlernte. Sie strahlte, ihre Augen leuchteten, und ich hatte das Gefühl, dass sie mich vielleicht zu oft anhimmelten. Doch es war nicht unangenehm, Sabine war eine sehr schöne, ja, eine sehr begehrenswerte Frau.
Dann wechselte die Musik, es wurde ein Tango gespielt. Ich war froh, dass in der Tanzschule auch dieser Tanz gelehrt wurde, nicht nur das ›moderne‹ Herumgehopse. Ich konnte Sabine auch bei diesem Tanz mit meinem Gefühl für Bewegung beeindrucken.
Und sie schien wirklich beeindruckt zu sein, denn sie schmiegte sich fest an mich, was zwar sehr angenehm war, aber auch bestimmte Wirkungen mit sich