Kapitel 2
Am nächsten Tag war es noch heißer. Rebecca versuchte vergeblich, ihren Ehering wieder anzulegen, den sie gestern Abend zum Duschen abgenommen hatte. Ihre Finger waren durch die Hitze so geschwollen, dass der Ring nicht mehr passte. Dann eben nicht, dachte sie und legte ihn auf die Ablage.
Heute würde Rebecca gemeinsam mit Kiki einen Agenten treffen, der einen jungen, hochtalentierten Künstler aus Japan vertrat und in Europa bekannt machen wollte. Ihn exklusiv präsentieren zu können, wäre ein großer Imagegewinn für die Stiftung. Von dieser Besprechung hing daher viel ab. Max kannte den Mann bereits persönlich, doch diesmal würden Kiki und Rebecca allein die Verhandlungen führen. Was nicht nur geschäftliche, sondern auch gesellschaftliche Bedeutung hatte. Doch Rebecca machte sich keine Sorgen. Sie war bestens vorbereitet.
Gerade als sie überlegte, was sie anziehen sollte, hörte sie, wie im Radio ein Fahrverbot für alle Benzin- und Dieselfahrzeuge bekanntgegeben wurde. Mist.
Das bedeutete, dass an diesem Tag nur Elektromobile und Busse zwischen Innenstadt und Außenbezirken verkehren durften.
Unschlüssig stand Rebecca vor dem geöffneten Schrank. Keines ihrer eleganten Sommerkleider und Kostüme hatte es verdient, in einen öffentlichen Bus zwischen schwitzende Menschen gezwängt zu werden. Einem spontanen Impuls folgend, nahm sie das Telefon und rief Kiki an. Das Büro des Agenten lag zwar nicht gerade um die Ecke, war aber für sie beide bequem zu Fuß erreichbar. Also würden sie sich auf halbem Wege treffen und einen Spaziergang machen. Länger als eine knappe halbe Stunde konnte das nicht dauern.
Rebecca hatte keine Lust auf die standesgemäße, dezente Kombination aus beiger Bluse und taupefarbener Hose. Sie entschied sich für ein pinkfarbenes Escada-Kleid mit glockig schwingendem, kurzem Rock und feinen Spaghettiträgern. Auf Strumpfhose und B H verzichtete sie bei der Hitze. Der Look war eigentlich zu freizügig für einen Geschäftstermin. Aber bei dem Wetter erlaubt. Sicherheitshalber nahm sie einen dazu passenden, hellgrünen Blazer mit. Sie würde ihn im Büro des Agenten überziehen, wo es vermutlich zehn Grad kühler war als draußen. Statt der üblichen Clutch trug sie wie zu Studienzeiten eine geräumige Handtasche über der rechten Schulter.
Erst als Rebecca die Treppe hinunterging, registrierte sie das ungewohnte hauchzarte Streicheln des glatten Viskose-Satins auf ihren nackten Brüsten. Es kam ihr vor wie eine liebkosende Berührung. War es wirklich so lange her, dass sie sich so angezogen hatte? Verstohlen fuhr sie mit der rechten Hand über ihre linke Brust und erschauerte. Die Brustwarze wurde steif wie ein Kirschkern und drückte durch den fließenden Stoff gegen die Handfläche.
Plötzlich wurde ihr kalt. Was treibst du denn hier, hörte sie sich in Gedanken sagen. Reiß dich gefälligst zusammen. Du hast ein wichtiges Meeting vor dir, also benimm dich nicht wie eine aufgegeilte Zwanzigjährige!
Es funktionierte. Rebecca sammelte sich und machte sich auf den Weg. Nach den ersten hundert Metern stellte sie fest, dass sie nicht mehr daran gewöhnt war, zu Fuß zu gehen. Zum Glück trug sie keine allzu hohen Schuhe, sondern bequeme, hellgrüne Slingpumps. Ungewohnt war es trotzdem. Die Sonne prickelte auf den Schultern. Ein angenehmer Wind spielte mit den Haaren und bauschte das federleichte Kleid nach oben. Ein schönes Gefühl.
Schneller als erwartet kam sie am vereinbarten Treffpunkt an. Kiki war noch nicht zu sehen. Typisch, dachte Rebecca belustigt, Kiki kam grundsätzlich zu spät. Rebecca schlenderte zu der Haltebucht, in der normalerweise Pendler ihre Autos abstellten