Kapitel 1
Marcel war in den letzten Jahren kaum in die Arbeiten auf dem elterlichen Bauernhof eingebunden. Dazu wäre er zwar körperlich längst in der Lage, aber seit Monaten war der junge Mann viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, was schlicht und ergreifend an seiner Pubertät lag. Sie setzte dem Siebzehnjährigen von Tag zu Tag mehr zu als ein Zweifrontenkampf gegen Pest und Cholera gleichzeitig. Sein junger, muskulöser Körper schien wie der saftige Zweig eines Weißdornbusches im März zum Treiben erwacht zu sein, und dazu brauchte er alle Kraft und Konzentration.
Der quälende Prozess der körperlichen Reifung verlangte ihm mehr ab als die schwerste Arbeit auf dem Feld, aber schlimmer war noch, dass er über die körperliche Anspannung hinaus zeitweise zerfahren wirkte wie ein Tattergreis, der seine Sinne nicht mehr beisammen hatte. Der Junge war vergesslich, nervös, hörte kaum noch zu, wenn jemand etwas zu ihm sagte, drückte sich vor jedem Handgriff im Haus und reagierte überzogen, wenn ihn Bertrand, sein Vater, oder seine Mutter Agnes rügte.
Während die Tage vom Leben auf dem Hof geprägt waren und ihm trotz allem Ablenkung verschafften, kamen die Nächte einer Tortur gleich. Wenn er sich schlaflos in seinem Bett wälzte, dachte er an nichts anderes als an das weibliche Geschlecht. Er streifte in Gedanken durch die benachbarten Dörfer, legte von jeder Frau, von jedem Mädchen eine Art virtuelle Karteikarte an und versuchte, sich vorzustellen, sie neben sich liegenzuhaben. Wie ein Scanner tastete er, von seinen Trieben gesteuert, ihre Körper ab, strich über jede noch so kleine Erhebung, bewertete Gesicht, Schultern, Brüste, Po und Beine. Und wenn er einen Griff zwischen ihre Beine wagte und sich vorstellte, wie er sanft über diese und jene Möse strich, das weiche Fleisch buchstäblich in seinen Fingerspitzen fühlte, dabei den Duft weiblicher Nässe einzuatmen glaubte, dann griff er sich selbst ebenfalls zwischen die Schenkel, umfasste seinen jugendlichen Schwanz und drückte, quetschte und knetete ihn solange, bis ihm der heiße Saft auf den Bauch spritzte.
So ging das Nacht für Nacht, und er fühlte, dass die Möglichkeiten, eines dieser weiblichen Wesen aus der Nachbarschaft tatsächlich einmal habhaft zu werden, nicht einen Millimeter näher kamen. Wie auch? Die Dörfer waren zehn, fünfzehn Kilometer vom Hof seines Vaters entfernt, öffentliche Verkehrsmittel gab es nicht, per Fahrrad dorthin zu fahren, war ihm zu mühsam, und auf den Märkten, wo man sie alle beisammen hatte und Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme vorhanden sein müssten, ging es viel zu hektisch zu. Die Geschäftigkeit ließ gerade einmal einen verliebten oder begehrenden Blick zu. So blieb ihm bestenfalls übrig, die Frauen und Mädchen hinter den Ständen anzuschauen.
Charlotte Dupuy, eine dreißigjährige Bauerntochter aus Couselet, entsprach seinem Traumbild einer Frau am meisten. Sie bediente, wenn Wochenmarkt war, auf dem Stand gegenüber und war so Marcels Blicken hilflos ausgeliefert. Wie eine Göttin bewegte sie sich unter dem rot-weiß-gestreiften Sonnendach ihres Verkaufsstandes und schien mit wachsamen, verführerischen Blicken und fraulichem Charme ihre Waren zu bewachen. Sie trug immer dieselbe Kleidung: einen Jeansrock und ein weißes, dünnes T-Shirt mit einem großen Ausschnitt.
Wenn die Kunden scharenweise durch die Reihen der Stände schlenderten, war von Charlotte nie viel zu sehen. Sie war ständig in Gespräche verwickelt, verhandelte Preise und pries unentwegt die ganze Palette der ausgelegten Ware an. So konzentrierte sich sein Augenmerk auf die Zeit vor dem Kundenansturm oder danach.