Kapitel 1
»Darf ich um diesen Tanz bitten, meine Schöne?«
Juli drehte sich nicht um, sondern neigte nur den Kopf. Devon beugte sich hinunter zu ihr, küsste zärtlich ihren Nacken und summte den Anfang von »When I Fall in Love«. Gleich viermal hatte die Band den Nat-King-Cole-Klassiker an diesem Abend gespielt. Obwohl die Musiker längst nach Hause gegangen waren, schien die Melodie noch im Raum zu schweben.
»Auf einmal so förmlich, junger Mann?«, antwortete sie und lächelte schelmisch. Er legte den Arm um ihre schmale Taille und führte Juli zwischen den verlassenen Tischen und Stühlen hindurch zur Tanzfläche. Glitzerkonfetti knirschte bei jedem Schritt unter ihren Schuhsohlen. Überall lagen Luftschlangen, Blumen und abgebrannte Wunderkerzen.
Junger Mann, dachte Devon belustigt. Mit fünfundvierzig war er immerhin achtzehn Jahre älter als Juli, die neben ihm wie ein blutjunges Mädchen wirkte. Was entgegen ihrer beider Befürchtungen keine Rolle spielte. Zumindest nicht zwischen ihnen. Einige Außenstehende hatten pikiert darauf reagiert, dass sie mitnichten ein frisch geschiedener Mann und seine junge Geliebte waren, sondern ein offizielles Paar. Doch Juli und Devon ließen die unvermeidlichen Klischeesprüche zum Thema Midlife-Crisis oder Vaterkomplex ganz lässig an sich abperlen. Ihre Liebe wirkte wie eine Teflonschicht gegen Missgunst und Neid.
»Und?«, fragte er, als sie begannen, zur unhörbaren Musik zu tanzen. »Fühlst du dich irgendwie anders?«
»Wie sollte ich mich denn fühlen?«
»Weiß nicht. Vielleicht verheirateter als vorher?«
Juli prustete. Der Blick, mit dem sie ihn von unten herauf ansah, ließ sein Herz weit werden. So voller Liebe und Lebensfreude. Ihr kurzes, mohnrotes Kleid raschelte, als hätte sie es eben erst angezogen und nicht bereits viele Stunden darin getanzt. Und noch einiges mehr. Devon musste sich zusammenreißen, als er daran dachte.
Zwar waren sie inzwischen allein in dem festlich dekorierten Raum, aber es konnte dennoch jeden Moment jemand hereinkommen. Im Getümmel war es einfacher gewesen. Niemand bekam mit, was er am Tisch, an der Bar und beim Tanzen mit seiner rechten Hand unter dem bauschigen Rock tat. Juli brachte alle Selbstbeherrschung auf, um sich nichts anmerken zu lassen. Gleichzeitig konnte Devon spüren, dass sie sich mit jeder Faser ihres Körpers in das lustvolle Gefühl ergab. Oh, wie sie es genoss. Wie sie sich ihm entgegenstemmte, seine Finger gierig in sich aufnahm, sich gegen seine Hand presste, sich an ihm rieb, bis sich ihre Erregung in einem Muskelzucken entlud und eine charmante Röte über ihr Gesicht huschte.
Vier Mal war es ihm gelungen, ihr auf diese Art einen heftigen, explosionsartigen Höhepunkt zu verschaffen, unbemerkt von Gästen und Personal. Juli liebte dieses Spiel. Sie beherrschte es meisterhaft. Beim Essen war es ihr sogar gelungen, scheinbar entspannt mit ihrem Gegenüber zu plaudern, während Devon sie unaufhaltsam einem Orgasmus entgegentrieb.
Sie drehte sich gekonnt aus Devons Arm, vollführte eine übermütige Pirouette auf den Zehenspitzen und strahlte ihn an. Devon konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal so gesehen zu haben. Ihre Augen hielten seine gefangen und funkelten. Um ihr erhitztes Gesicht ringelten sich ein paar kurze, kastanienbraune Locken, die sich aus der romantischen Hochsteckfrisur gelöst hatten und Juli etwas Verträumtes, Unschuldiges verliehen.
Gleichzeitig wirkte sie wie eine elegante, geradezu einschüchternd selbstsichere Frau. Beide Facetten ihrer Persönlichkeit schienen an diesem Tag besonders ausgeprägt zu sein, und das auch noch gleichzeitig. Verrückt.
Er spürte, wie Tränen der Dankbarkeit in seine Augen stiegen. Diese wunderschöne, kluge, witzige und bis in die Fingerspitzen