Kapitel 3
Natürlich ging alles irgendwann seinen normalen Lauf. Nach einer Weile legte sich das Interesse der anderen an Meli. Hatten sie anfangs noch erwartet, dass die Neue mehrmals täglich die ganze Schule aufmischen würde, wurden sie enttäuscht. Meli schloss keine Freundschaften, redete nicht mehr als unbedingt notwendig und wollte am liebsten einfach in Ruhe gelassen werden.
Es schien eine Art stillschweigende Übereinkunft zu geben: Die Lehrer ließen sie während der Schulstunden in Ruhe, und Meli machte im Gegenzug keinen Ärger. Wenn sie dann mal den Mund aufmachte, um etwas zum Unterricht beizutragen, gab sie verblüffenderweise immer die richtige Antwort, und zwar in so kurzen und knappen Worten, dass es rotzfrech klang. In den Pausen rauchte sie, ohne dass irgendein Lehrer es wagte, ihr die Zigaretten zu verbieten. Sie hatte die Ohrstöpsel in den Ohren, hörte ihre Musik und las ein Buch nach dem anderen.
Dass Björn sich an sie ranschmiss, gefiel mir nicht. Noch viel weniger gefiel mir, dass Meli offensichtlich auf sein Baggern einging. Ich konnte es nicht fassen: Sie unterhielt sich mit ihm, lächelte sogar, und – so unglaublich es klingt – sie lachte sogar über seine grottenschlechten Witze und seinen schmierigen Charme, mit dem er ihr abgedroschene und billige Komplimente über ihre schönen Augen machte.
»Hab sie klargemacht«, sagte Björn schließlich ausgerechnet zu mir, als hätte ich darauf gebrannt, diese Nachricht zu erfahren. Ich weiß noch genau, dass es ein Freitag war, und zwar nach der zweiten großen Pause. Vermutlich hatte er gemerkt, dass es eine besondere Verbindung zwischen Meli und mir gab, und er wollte mich damit ärgern, dass er mir verkündete: »Morgen haben wir ein Date, und da ist sie fällig!«
Zumindest schaffte er es, mich eifersüchtig zu machen. Allen Ernstes, ich spürte einen richtigen Stich im Herzen, als er mir diese Neuigkeit mit einem feisten und überheblichen Grinsen überbrachte. Was sollte das? Meli war schließlich ein Mädchen! Warum, zum Teufel, war ich also eifersüchtig?
»Ich werde sie ficken, dass sie nicht mehr aufrecht gehen kann.«
Und wieder spürte ich diesen Stich und fragte mich, wieso. Sie konnte ficken, mit wem sie wollte. Das war ihre Sache. Aber da war noch etwas anderes als Eifersucht, was ich in mir spürte: Enttäuschung! Ich war enttäuscht darüber, dass Meli von Anfang an für mich so eine Art Heldin gewesen war, eine Rebellin, eine mit Tiefgang – und jetzt? Jetzt musste ich sehen, dass sie genau so eine oberflächliche Tussi war wie all die anderen, die Björn schon flachgelegt hatte. Ein paar Komplimente und eine Handvoll plumpe Witze, schon machte sie die Beine breit.
»Was hast du?«, wagte sie mich zu fragen, als sie merkte, dass ich abweisend war, als sie endlich mal wieder ein paar Worte mit mir wechseln wollte.
»Nichts«, antwortete ich schnippisch. Es war mir viel zu peinlich zuzugeben, dass mir die Sache mit Björn sehr an die Nieren ging. Meli hätte mich womöglich für eine Lesbe gehalten, und das wäre noch viel peinlicher gewesen. Irgendetwas in mir wünschte sich, sie würde weiterfragen. Ich wollte, dass es ihr keine Ruhe ließ, dass doch ganz offenbar etwas in mir vorging, das mit ihr zu tun hatte. Bei Jungs klappte diese »Nichts«-Masche immer perfekt, aber bei Meli biss ich damit auf Granit.
»Na, dann ist es ja gut«, erwiderte sie achselzuckend und schob sich einen neuen Kaugummi den Mund. Erst am Ende des Schultages, als sie »Tschüss« zu mir sagte, zischte ich ein klar und deutlich wütendes »Schönes Wochenende, und viel Spaß mit Björn«, bevor ich mich umdrehte und einen bühnenreifen Abgang hinlegte.
Hatte ich ernsthaft erwartet, dass Meli hinter mir herrennen, mich aufhalten und fragen würde, warum mir ihr Date mit Björn und seinem Schwanz so zu schaffen machte? Ja, wahrs