2. Lügen haben kurze Beine – und was sonst noch?
Die Generation Fake lügt gewohnheitsmäßig täglich x-mal. Dabei ist Lüge nicht gleich Lüge. Es gibt weiße und schwarze Lügen. Und selbst durch Schweigen und Halbwahrheit kann man lügen.
Die Generation Fake lügt unerträglich oft
Nach einer repräsentativen Umfrage lügen 58 Prozent der Deutschen täglich14. Nach der Rechtspsychologin Revital Ludewig lügt jeder durchschnittlich 25 Mal am Tag15. Andere Quellen gehen von täglich bis zu 80 Lügen aus. Im Internet wird am häufigsten eine Studie genannt, nach denen jeder Mensch bis zu 200 Mal am Tag lügt16. Als Quelle wird ein US-amerikanischer Psychologe namens John Frazier genannt. Doch seine angebliche Studie lässt sich nicht verifizieren. Sie ist in keiner wissenschaftlichen Datenbank auffindbar und auch weder als Buch noch im Internet veröffentlicht. Gut möglich, dass die Lügenzahl von 200 selbst ein Fake ist. Ich vermute, die Anzahl der täglichen Lügen lässt sich durch eine Umfrage nicht wahrheitsgemäß feststellen, denn die Befragten werden im Zweifel eine niedrigere Zahl von Lügen als die tatsächliche angeben. Die reinrassigen Vertreter der Generation Fake werden null Lügen angeben, weil sie den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht mehr verstehen. Auf die genaue Anzahl der Häufigkeit von Lügen kommt es aber gar nicht an. Es geht darum aufzuzeigen, dass die Menschen gewohnheitsmäßig täglich lügen.
Definition von Wahrheit und Lüge
Bernd Weinbrenner saß wegen eines Umsatzsteuerbetrugs im großen Stil auf der Anklagebank. Er hatte dem Vorsteher des Finanzamts angegeben, er sei ein vermögender Filmproduzent und wolle in Dessau ein Filmstudio gründen. Millionen würde er dafür investieren. Dem Vorsteher gefiel die Idee »Hollywood in Dessau«, denn er versprach sich Steuermehreinnahmen. In der Planungsphase machte er natürlich keine Umsätze, führte Weinbrenner weiter aus, hatte aber Unkosten. Er reichte Rechnungen über sie beim Finanzamt ein und ließ sich die Umsatzsteuer auszahlen, insgesamt 300.000 Euro. Doch das Filmstudio wurde nie gebaut, und Weinbrenner tauchte mit dem Geld unter. War er ein Lügner?
»Die Lüge ist nichts anderes als die bewusste Abwendung von der Wahrheit«, definiert der Lügenforscher Peter Stiegnitz17. Die Wirklichkeit, die Realität, die wir als solche wahrnehmen, ist das Gegenteil der Lüge18. Das wirft gleich die nächste Frage auf, nämlich was Wahrheit ist. Der Duden definiert diese als die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird19. Für Juristen bedeutet die Wahrheit die objektive Sachlage. Daraus ergibt sich eine wichtige Einschränkung. Wahr oder unwahr können nur Tatsachen sein. Das sind konkrete Zustände oder Vorgänge, die dem Beweis zugänglich sind. Ob die Frau schwanger ist oder nicht, ist eine Tatsache. War die Ampel Rot oder Grün ist ein Fakt. Ist ein Mensch tot oder nicht. Und es gibt diese Wahrheit immer nur einmal. Alternative Fakten, wie sie heute von der Generation Fake gerne verbreitet werden, gibt es in Wirklichkeit nicht. Niemand kann gleichzeitig tot und lebendig sein. Nicht unter die Wahrheit fallen dagegen alle subjektiven Aussagen, weil diese nicht nachprüfbar sind. Zum Beispiel Meinungen wie »Die Frau ist attraktiv« oder »Das Wetter ist schlecht«. Oder alle gefühlsmäßigen Äußerungen. »Mir geht es schlecht« kann weder bewiesen noch widerlegt werden.
Bernd Weinbrenner hatte in mehreren Punkten die Unwahrheit gesagt. Er war zuvor in Berlin mit drei anderen Filmfirmen in Insolvenz gegangen. Das Geld, das er angeblich in das neue Filmstudio investieren wollte, hatte e