HANNAH
Die Begleitung
Vor uns erheben sich die Wellen mit ihren weißen Schaumkronen. An Land ist es ein wunderschöner Sommertag, doch hier draußen geht es ziemlich rau zu. Vor ein paar Minuten haben wir den Schutz des Hafens hinter uns gelassen, schon bald darauf schien die Farbe des Wassers sich zu verdunkeln, und die Wellen wuchsen merklich an.
Es ist der Tag vor der Hochzeit, und wir befinden uns auf dem Weg zur Insel. Als »besondere Gäste« haben wir das Privileg, heute schon dort zu übernachten. Ich freue mich darauf. Zumindest glaube ich, dass ich mich freue. In jedem Fall kann ich im Moment etwas Ablenkung gut gebrauchen.
»Achtung, festhalten!«, ruft der Kapitän aus der Steuerkabine hinter uns, der sich uns vorhin als Mattie vorgestellt hat. Bevor wir auch nur Zeit haben, einen Gedanken zu fassen, hebt das kleine Boot von einer Woge ab und rauscht in den Kamm der nächsten. Das Wasser spritzt in einem Riesenbogen über uns hinweg.
»Verdammt!«, schreit Charlie, und ich sehe, dass er auf einer Seite komplett durchnässt ist. Wunderbarerweise bin ich nur etwas feucht geworden.
»Na, sind Sie da vorn etwas nass geworden?«, ruft Mattie vergnügt.
Ich lache, muss mich allerdings dazu zwingen, da die Situation doch ziemlich beängstigend war. Die ständigen Bewegungen des Bootes – irgendwie vor und zurück und gleichzeitig von einer Seite zur anderen – machen meinem Magen zu schaffen.
»Puh«, stoße ich aus, als ich die Übelkeit in mir aufsteigen spüre. Bei der Erinnerung an den kleinen Nachmittagsimbiss aus Tee, Scones und Clotted Cream, den wir zu uns genommen haben, bevor wir an Bord gingen, möchte ich mich am liebsten übergeben.
Charlie sieht mich besorgt an, legt eine Hand auf mein Knie und drückt es sanft. »Oje. Geht’s schon los?«
Ich leide an furchtbarer Reiseübelkeit, und mir wird auch sonst schnell übel. Während der Schwangerschaft war es mit der Übelkeit am schlimmsten.
»Mmhmmm. Ich habe zwei Tabletten genommen, aber die haben kaum was gebracht.«
»Weißt du was? Ich werde dir was über die Insel vorlesen, das bringt dich auf andere Gedanken.« Mein Mann sucht in seinem Handy. Er hat sich einen Reiseführer runtergeladen – typisch Lehrer. Als das Boot wieder schlingert, entgleitet das iPhone ihm beinahe. Er flucht und packt es mit beiden Händen, wir können uns wirklich kein neues leisten.
»Hier steht nicht besonders viel«, sagt er etwas entschuldigend, als er es geschafft hat, die Seite zu laden. »Haufenweise Zeug über Connemara, aber die Insel selbst … Ich schätze, sie ist zu klein …« Er fixiert das Display, als wolle er es zwingen, mehr auszuspucken. »Moment, hier, ich hab was gefunden.« Er räuspert sich, dann fängt er an mit einer Stimme zu lesen, die er wahrscheinlich auch im Unterricht einsetzt. »›Die Insel Inis an Amplóra oder, in der englischen Übersetzung, Cormorant Island misst von einem Ende zum anderen zwei Meilen und ist dabei länger, als sie breit ist. Sie besteht aus einem gewaltigen Granitbrocken, der sich einige Meilen vor Connemaras Küste majestätisch aus dem Atlantik erhebt. Ein großes Torfmoor bedeckt den Großteil der Oberfläche. Die beste und zugleich einzige Art und Weise, die Insel zu betrachten, ist von einem Privatbo