: Hannes Schott
: Raus aus dem toten Winkel Ein unkonventioneller Blick auf die Kirche von morgen
: Kösel
: 9783641260255
: 1
: CHF 16.60
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: Christliche Religionen
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Kirche soll Freude machen
Mit augenzwinkerndem Blick schaut er auf bestehende Strukturen und geht neue Wege: Gottesdienste in Wohnzimmern, die verlost werden oder Gottesdienste im Bus sind nur ein kleiner Ausschnitt seiner ungewöhnlichen Ideen. Dabei findet er meistens Offenheit und große Neugier am Glauben, sodass er sich einen optimistischen Blick für die Zukunft der Kirche behält.

Seine Auftritte als Kabarettist ermöglichen dem evangelischen Pfarrer Hannes Schott aus Bayreuth manche ungewöhnliche Sicht auf die Kirche und das 'göttliche Erdenpersonal'.

Gerade bei seinen Auftritten als Mundart-Dichter und Kabarettist kommt er mit Menschen in Berührung, die sich vermeintlich von der Kirche abgewandt haben oder nie mit ihr in Berührung kamen. Für Hannes Schott liegt vor allem in diesem spürbaren spirituellen Interesse und im Wandel der Tradition eine Chance. Er sagt: 'Eine kirchenferne Gesellschaft ist wie ein leeres Blatt, auf das die Kirche neu schreiben und sich neu definieren kann' - ohne Machtstrukturen und bürokratischen Überbau, sondern mit Humor, Demut und nah beim Menschen.

Hannes Schott, geb. 1980, ist seit 2010 als evangelischer Pfarrer tätig, zuächst in seiner Heimatstadt Bayreuth, inzwischen in Nürnberg. Daneben tritt er u. a. für das Pfarrerkabarett 'Das weißblaue Beffchen' auf, hält preisgekrönte Radioandachten und erhält große mediale Aufmerksamkeit für seine ungewöhnlichen Gottesdienste (z.B. in Wohnzimmern und Reisebussen).

Vom Wurfzelt in Taizé bis zum Tod im Schaukelstuhl

Bevor wir zur Kirche in Deutschland und deren Zukunft kommen, erzähle ich von meinen Sommerferien 2010 in Frankreich. Nicht dass Sie das Falsche denken: Es gibt hier keine Urlaubsschwänke. Das war kein Entspannungsurlaub mit viel Rotwein, Baden und Brutzeln in der Sonne, sondern ich war eine Woche in Taizé.

Wahrscheinlich haben viele von Ihnen schon mal von diesem kleinen Ort im Osten Frankreichs mit seinen gut 550 Einwohnern gehört. Einige kennen vermutlich die schönen Taizé-Lieder (»Laudate omnes gentes«, »Meine Hoffnung und meine Freude«, »Bleibet hier und wachet mit mir«), die zum Beispiel oft beim Abendmahl gesungen werden. Oder Sie haben von Frère Roger gehört, dem Gründer der ökumenischen Männergemeinschaft von Taizé. Dieser kleine, milde, unscheinbare Pfarrer aus der Schweiz hatte anscheinend so großes Charisma, dass sich ganz viele Menschen von ihm begeistern ließen. Ich habe ihn nicht mehr kennengelernt, 2005 ist er verstorben.

Jeden Samstagabend wird in Taizé eine »Nacht der Lichter« gefeiert, und auch in vielen Orten in Deutschland wird diese besondere Gottesdienstform einmal pro Jahr begangen. So viel und vielleicht noch ein bisschen mehr wusste ich von Taizé, als ich Ende August 2010 dort hinfuhr. Mein alter Studienfreund Joe hatte eine einwöchige Reise mit Jugendlichen aus seiner Gemeinde dorthin geplant und mich gefragt, ob ich mitfahren wolle. Neugierig hatte ich damals ja gesagt. Ich war erst seit einem halben Jahr Pfarrer und gespannt auf neue religiöse Eindrücke.

Aber kaum war ich in Taizé angekommen, bereute ich es fast schon. Denn es traf mich erst einmal fast der Schlag: Die hygienischen Verhältnisse waren nicht sonderlich. Das Essen war recht einfach und rationiert. Und ich wurde von Jugendlichen, die dort anscheinend ziemlich viel zu sagen hatten, eingeteilt, bei den Bibelarbeiten mitzumachen und kleine Arbeiten zu übernehmen. Ehrlich gesagt: So hatte ich mir meinen Urlaub nicht unbedingt vorgestellt. Denn ich hatte vor, aufzuatmen, mich zu entspannen und Kräfte zu sammeln. Und danach klang das alles nicht.

Joe hatte eine oberbayrische Mutter, die kein Blatt vor den Mund nahm und noch nie verstanden hatte, warum der Sohn schon zum elften Mal nach Taizé wollte. Die hatte noch vor der Abreise gesagt: »Jetzt fährt der Bub wieder in’ Dreck.« Das hätte mir vielleicht eine Warnung sein sollen. Ich erlitt bei der Ankunft in Taizé jedenfalls erst einmal eine Art Kulturschock.

Vielleicht war auch die lange Busfahrt daran schuld, dass ich am Ankunftsabend doch ein bisschen labil war. Auf jeden Fall vermisste ich mein Bett und meinen Computer mit Internetzugang, meinen gut gefüllten Kühlschrank und alle anderen Errungenschaften der Neuzeit. In meinem gerade hingeworfenen Zelt – in meinem damals noch recht jugendlichem Leichtsinn hatte ich nur ein sehr überschaubares Wurfzelt aus dem Supermarkt dabei, in dem ich mich kaum drehen konnte und daraus hervorlugte wie eine Schildkröte mit Kappe – auf einer tatsächlich recht dreckigen und staubigen Wiese hockte ich und grübelte: Irgendwas muss da ja dran sein an diesem Taizé. Nicht von ungefähr treffen sich hier alljährlich viele Tausend Jugendliche! Die dann dreimal am Tag zu über vierzigminütigen Gottesdiensten gehen und hinterher sogar noch freiwillig länger in der dortigen Kirche bleiben! Die an Bibelarbeiten teilnehmen! Oder für die Gemeinschaft etwas tun! Also alles Dinge, die sie daheim – ich kenne meine Konfis – nur mit Zähneknirschen und höchst widerwillig in Angriff nehmen würden. Und darüber hinaus mussten doch diese Jugendlich