Prolog
Ian
»Warum warte ich eigentlich darauf, dass mich Draculas Braut mit ihrer Anwesenheit beehrt, wenn ich eigentlich nach meiner davongelaufenen Frau suchen sollte?«
Ian beobachtete, wie sich sein bester Kumpel Crispin umsah und sich davon überzeugte, dass Vlad nicht in der Nähe war und sie belauschte. Ian war das egal. Vlad schuldete ihm … etwas. Ian wusste zwar nicht mehr, was, weil die Erinnerung irgendwie mit dem vorigen Monat zusammenhing, der beinahe komplett aus seinem Gedächtnis verschwunden war, aber es war wichtig. Das wusste er. Sollte sein Gastgeber doch ruhig einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn er hörte, dass Ian ihn bei seinem verhassten Spitznamen Dracula genannt hatte.
»Genau deshalb sind wir hier. Weil du dich nicht daran erinnern kannst, warum du neuerdings … gebunden bist«, sagte Crispin. »Vlads Frau weiß etwas, was du vor uns anderen verborgen hast. Wenn das der Grund ist, warum du unter Erinnerungslücken leidest, müssen wir das zuallererst herausfinden.«
Gebunden. Ian schürzte die Lippen. Crispin konnte sich immer noch nicht dazu überwinden »verheiratet« zu sagen. Ian würde sich auch mit jeder Faser gegen dieses Wort sträuben. Stattdessen wurde er von dem verrückten Verlangen getrieben, Veritas zu finden, auch bekannt als die kleine scharfe Braut, die er geheiratet hatte.
Zugegeben, er konnte sich nicht mehr daran erinnern,warum er Veritas geheiratet hatte. Welcher Vorgang auch immer dazu geführt hatte, dass ein Großteil seiner Erinnerungen an die letzten Wochen gelöscht worden war, dieser Teil gehörte dazu. Doch die Erinnerung an ihre Bindungszeremonie war äußerst lebendig, auch wenn der Gedanke, dass er überhaupt geheiratet hatte, noch dazu eine Gesetzeshüterin, lachhaft war. Crispin hatte Veritas sicher geglaubt, als sie die Ehe vor ein paar Tagen geleugnet hatte, Ian mit Crispin sitzenließ und mit einer recht vagen Warnung vor einem wütenden Dämon verschwunden war.
An diesen Teil konnte Ian sich auch nicht mehr erinnern. Er war bewusstlos gewesen, was bei der Fähigkeit eines Vampirs zur Sofortheilung eigentlich unmöglich war. Was immer ihn seiner Erinnerungen beraubt hatte, hatte ihn – zumindest kurz – so verletzlich wie einen Menschen gemacht, und die einzige Person, die beides erklären konnte, war zufällig geflohen.
Manchmal war Ian so wütend darüber, dass er sich kaum auf etwas anderes konzentrieren konnte. Aber den Rest der Zeit hatte sein Bedürfnis, Veritas zu finden, nichts mit Wut, sondern ausschließlich mit einem deutlich stärkeren brennenden Verlangen zu tun.
»Ian.« Er sah auf; im Eingang stand eine Frau mit rabenschwarzem Haar, direkt dahinter mit finsterer Miene ihr Ehemann. »Sorry, dass wir euch haben warten lassen«, fuhr Leila fort und drehte sich zu Vlad um. »Wir haben uns verspätet, weil wir uns gestritten haben.«
»Meinetwegen?« Ian setzte ein durchtriebenes Grinsen auf. Er hätte sich sowieso über Vlad lustig gemacht – er konnte nicht anders –, aber aus irgendeinem Grund verspürte er ein noch stärkeres Bedürfnis als sonst, seinen Gastgeber zu ärgern. »Habe ich etwa noch etwas Wichtiges vergessen, was in den letzten Wochen pass