Montag, 27. Mai 2019
Auf, ab, auf, ab, wie bei einem Kasperltheater tauchte erst der Kopf und dann der sportliche Oberkörper eines Mannes hinter der Empfangstheke der Praxis auf, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Kopf und Oberkörper gehörten dem Physiotherapeuten, Personal Trainer und Praxisinhaber Ulrich Böllmann, ebenso das braune Poloshirt mit dem quer über die Brust gezogenen Aufdruck »Physio Trainer«. Obwohl für alle anderen schon Feierabend war, wuselte er immer noch in weißer Arzthose und türkisfarbenen Salomon-Trailrunnern in der Praxis herum.
»Ach, der Sascha. Ja, servus! Ist dir fad, oder was verschafft mir die Ehre?«
Hektisch wie immer, der Herr Physiotherapeut und Personal Trainer. Die Nachmittagssonne tanzte wie ein Kobold auf dem Parkett herum, das einen Schiffsboden aus Eiche imitierte, wahrscheinlich aber doch eher Vinyl war, wegen der Strapazierfähigkeit.
»Servus, Ulli! Hast du heute schon Feierabend?« Das war es zumindest, was Sascha hoffte. Deshalb hatte er auch auf gut Glück in der Praxis vorbeigeschaut. Er wollte Ulli zu einem spontanen Cappuccino oder Bierchen überreden.
Immer öfter passte Saschas Zeitplan nicht zu dem seiner Kumpels. Wenn Sascha im Casino Spätschicht hatte, dann hatte er nachmittags Zeit, wenn die allermeisten seiner Freunde noch in der Arbeit waren. Und wenn sie Feierabend hatten, musste er los. Diese Schichtarbeit passte zwar durchaus zu seinem Biorhythmus und zu seinem Naturell, für sein Social Life war sie dagegen ziemlich verheerend. Ulli könnte sich ja auch mal eine Stunde freinehmen, schließlich war er selbstständig – aber Sascha hatte ihn im Verdacht, dass er seinen Hals einfach nicht vollkriegen konnte. Sein Kumpel jammerte ihm gern vor, was ihn die Praxis und alles, was daran hing, die Ausstattung, die Angestellten, die Steuern, kostete. Dabei lief das Geschäft von Beginn an glänzend, was den Effekt hatte, dass Ulli sich immer noch mehr vorstellen konnte.
Hinter der Empfangstheke war jetzt ein Heavy-Metal-Gitarrenriff zu hören. Das war Ullis Handy.
»Ja, da schau her, Caro, servus, was machst denn, wo bist denn? Was, in Reichenhall? Jetzt? In einer Stunde geht’s nicht? Da wäre ich fertig. Eine Patientin kommt noch, ja, dreißig Minuten, nein, absagen kann ich jetzt nicht mehr, die ist bestimmt schon auf dem Weg. Nein, es ist ja jetzt keiner mehr da, ich bin allein in der Praxis. Bei dem schönen Wetter liegen doch alle längst am Thumsee oder sitzen im Biergarten. Ja, das ist jetzt wirklich dumm. Freilich würd ich gern das Intervalltraining mit dir machen. Ja, nur gerade jetzt, also, nein, Caro, ich kann jetzt wirklich nicht, aber, Moment, äh, jetzt hab ich noch eine Idee. Du, pass auf, ich ruf dich in zehn Minuten wieder an. Ja, ich würd mich auch freuen, klaro, also bis gleich, ja, ich versuch