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Ich lief in den Garten, um mich zu verstecken. Als ich nach über zehn Minuten schon hoffte, damit durchgekommen zu sein, trat Mum aus der Wohnung und kam die Stufen herunter. Sosehr ich mich auch bemühte, mich unsichtbar zu machen, entdeckte sie mich doch, als sie über den Rasen kam.
Sie sagte: »Komm sofort runter vom Baum und entschuldige dich.«
»Ist er böse?«
»Genau wie ich.«
»Gibt er mir Hausarrest?«
»Weiß ich nicht. Aber du kannst nicht solche Sachen sagen, ohne dass es Konsequenzen hat.«
»Ich wollte das nicht. Das ist mir nur so rausgerutscht.«
»Ach ja?« Sie zählte an den Fingern einer Hand ab: »Du hoffst, dass der heutige Abend ein Desaster wird. Dass die Gäste Lebensmittelvergiftung kriegen. Du denkst gar nicht dran, zur Party zu kommen, und wir können dich alle mal. Das ist dir alles bloß aus Versehen rausgerutscht, ja?«
Ich berührte eine schwarzsamtene Blattknospe mit der ausgestreckten Hand. Wenn ich ein Blatt wäre, würde niemand etwas von mir erwarten.
Mum sagte: »Ziemlich verletzend, findest du nicht?«
Ich spähte durch die Zweige zu ihr runter. Sie trug eine Sportleggings und ein T-Shirt, hatte sich eine Schürze umgebunden, und ihre Wangen waren gerötet. Bei ihrem Anblick schmolz ich dahin. Ich hatte versprochen, bei den Vorbereitungen zu helfen, und stattdessen nichts als Ärger gemacht. »Tut mir leid, Mum.«
Sie lächelte erschöpft zu mir hoch. »Ich weiß, dass du enttäuscht bist, weil Kass nicht kommt, aber du kannst auch ohne ihn Spaß haben. Denk nur an all das leckere Essen und wie toll der Garten aussehen wird mit den vielen Lichtern und wenn alle tanzen.«
Aber der Einzige, mit dem ich tanzen wollte, war Kass. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er nach Weihnachten zur Uni zurückgefahren war. Ganze fünfundsechzig Tage war das schon her.
Mum sagte: »Jetzt komm endlich – runter mit dir. Je eher du dich bei John entschuldigst, desto leichter wird es.«
Ich kletterte langsam runter und hoffte, anmutig zu wirken.
»Ich hab eine Idee wegen heute Abend«, sagte sie, als ich endlich neben ihr auf dem Rasen stand. »Ich weiß, dass du dich mit geselligen Anlässen schwertust, und es tut mir leid, dass dein Bruder nicht dabei sein kann.«
»Er ist nicht mein Bruder.«
»Du weißt, was ich meine. Wenn Kass hier wäre, würde dir alles leichterfallen. Aber er kommt nun mal nicht, so ist das eben. Also, wie wär’s, wenn du zu Beginn die Appetithäppchen herumreichst? Was meinst du? Das verschafft dir die Gelegenheit zu zwanglosen ersten Kontakten.«
Ich merkte, worauf das hinauslief, und verspürte einen Anflug von Panik. »Ich kann nicht mit den Leuten reden.«
»Vielleicht fällt es dir leichter, wenn du eine Aufgabe hast.«
Was sie wohl täte,