THIS IS MY UTOPIA
Charlotte Eisenberg
Die deutsche weiße Mittelschichtskirche, diese Stammeskirche, gibt es nicht mehr.
In meiner Utopie ist Kirche ein Treffpunkt für Menschen, die Gott suchen und ihn feiern wollen. Natürlich ist sie das, das soll sie sein, zu allen Zeiten und an allen Orten. Nicht soll sie jedoch ein Ort sein, wo nur die Wohlhabenden, die Gesetzten und nur die über 60 zu Hause sind. Wo die Fähigkeit hochgeschätzt wird, Stücke von Bach und Mozart – natürlich auf der Orgel gespielt – auseinanderhalten zu können. Sondern wo diejenigen sich treffen, die sich nach Gottes Gegenwart sehnen, aus allen Schichten, allen Alters, jeglicher Hautfarbe, jeden Geschlechtes. Egal, welchen Namen sie Gott geben: das Transzendente, der Schöpfer, die Dreieine oder einfach »Mehr«.
In meiner Utopie ist Kirche Musik. Hier kommen alle Instrumente zum Klingen und jegliche Melodie ist willkommen. Von Orgel bis Schlagzeug, vonPaul Gerhard bisBeyoncé. Hier werden nicht Millionen für den Erhalt des Vergangen ausgegeben und das Alte mit Macht am Leben erhalten. In meiner Utopie ist Kirche ein Ort der Vielfalt und des Experiments. Denn hier geht es darum, Gott zu erfahren. Doch Gott ist nicht im Alten. Er ist auch nicht im Neuen. Er ist in den Menschen – in ihrer Vielfalt und Buntheit. Denn Kirche bleibt nur lebendig, wenn die Herren und Damen in ihrer Mitte Platz machen für die, die sonst am Rand stehen: die Kinder, die Fremden, die Freaks. Diejenigen, mit denen Jesus nach Hause gegangen wäre, um mit ihnen das Brot zu teilen und über Gottes Liebe und Gerechtigkeit zu reden. Und nicht überBachs kleine Fuge in g-Moll.
In meiner Utopie ist Kirche ein Gegenüber und keine Partnerin des Staates. Kirchensteuer kennt man hier nicht. Stattdessen gibt jede und jeder das, was möglich ist. Hier ist wenig Geld zu finden, denn Staatskirchenverträge und Beamtenrecht sind abgeschafft. Auch Staatsleistungen sucht man vergebens, denn die jahrhundertealten Vereinbarungen wurden aufgekündigt. In meiner Utopie ist Kirche kein Ort der Privilegien und der Privilegierten. Sondern ein Ort, wo die Prophetin zu Hause ist, die von der Welt geächtet wird. Und die nicht mit der Ministerin spricht, um einen Kompromiss zu finden, sondern um ihr von Gottes Gerechtigkeit und Frieden zu erzählen. Von der radikalen Botschaft des Reiches Gottes, für die es keine politischen Hände zu schütteln gilt, sondern Tische umzuwerfen. Und wenn nötig, auch in den Tod zu gehen, wie es einer schon vor 2000 Jahren tat. In dieser Kirche ist die Armut zu Hause. Denn sie steht in der Nachfolge eines Wanderpredigers, der keine andere Heimat hatte als Gott.
In meiner Utopie ist Kirche ein Kind des Geistes. Und nicht des Papiers und der Bürokratie. Nicht das Mitgliedschaftsverzeichnis und auch nicht das Taufregister zeigen an, wer dazugehört und wer nicht. Denn die Taufe ist Geschenk und Gabe Gottes. Wie könnte sie dann Bedingung sein? Nein, keine Bedingung ist sie, sondern Ausdruck von Sehnsucht. So ist es auch nicht wichtig, wann und wie oft jemand kommt. Erst recht sind es nicht zwei Buchstaben auf dem Lohnsteuerzettel, die entscheiden,