1. KAPITEL
Sophie Cardinale konnte das nicht mehr tun.
Sie wollte nicht länger als Tommy Talbots Tourmanagerin arbeiten und ihr Leben auf der Straße verbringen mit nichts als dem Klang seiner Musik in den Ohren. Nein, sie musste endlich Wurzeln schlagen, sich einen Bürojob suchen, denn sie wollte ein Kind. Mit vierunddreißig tickte ihre biologische Uhr nicht nur, sie stand kurz vor der Explosion. Darüber hatte sie im vergangenen Jahr jeden einzelnen Tag nachgedacht, und es ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Aber sie hatte es Tommy noch nicht erzählt. Schließlich war er nicht nur hinreißend, wild und eine Nervensäge von Boss, sondern schon seit Kindertagen auch ihr engster und liebster Freund.
Sophies Vater hatte für Kirby Talbot gearbeitet, Tommys Dad und eine Countrymusik-Legende. Bis zu dem Tag vor etwas über zwei Jahren, an dem er gestorben war, war ihr Dad Kirbys Gitarrentechniker gewesen. Leider hatte Sophie ihre Mutter nie kennengelernt, denn diese hatte einen Monat nach Sophies Geburt postpartale Präeklampsie entwickelt und war daran gestorben. Ihre Mom war für ihren Vater die Liebe seines Lebens gewesen. Immerzu hatte er über sie gesprochen und Sophie erzählt, wie süß und schön sie gewesen war. Ihre Eltern hatten sich Mitte der Siebzigerjahre auf Tour kennengelernt, wo ihre Mom als Kirby Talbots Kostümbildnerin gearbeitet hatte. Sie hatten geheiratet, und zehn Jahre später war Sophie geboren worden.
Sophie, ihr Vater und ihr Großvater, der sie mit aufgezogen hatte, hatten in einem der Gästehäuser auf Kirbys Anwesen gelebt, nachdem ihre Mom gestorben war. Darum hatte sie Tommy so gut kennengelernt. Laut seiner Mutter hatten sie schon als Babys eine innige Beziehung entwickelt, als sie Sophie zu Tommy in seinen Laufstall gesetzt hatte. Wahrscheinlich hatte Tommys Mutter nur Mitleid mit ihr gehabt, weil sie keine eigene Mutter hatte.
In ihrer Jugend waren Sophie und Tommy unzertrennlich gewesen, waren auf Bäume geklettert, hatten junge Pferde eingeritten und waren gemeinsam auf seinem BMX-Rad umhergerast. In jenen Tagen war Sophie ein Wildfang mit einer strubbeligen Kurzhaarfrisur und Rehaugen gewesen. Sie hatte sich in Tommy verknallt und tat fast alles, was er von ihr verlangte. Aber seitdem war sie ruhiger geworden. Und Tommy? Der doch nicht. Er war immer noch ein Draufgänger, besonders auf der Bühne. Tommy trainierte mit einigen der besten Stuntmen der Branche. Sein jüngster Clou war das Reiten eines mechanischen Bullen auf der Bühne. Die natürlich – gekonnt von den Pyrotechnikern in Szene gesetzt – lichterloh in Flammen stand.
Anfangs war es aufregend gewesen, für ihn zu arbeiten, ein Nervenkitzel. Jetzt, nach ein paar Jahren, wollte sie nur etwas Ruhe und Frieden.
Aber vor allem sehnte sie sich danach, Mutter zu werden. Sie hatte sich bereits über Samenbanken informiert und würde bald einen Spender auswählen. Sophie hatte keine allzu guten Erfahrungen mit Männern gemacht und es aufgegeben, den richtigen zu finden, denn sie brauchte emotionale Sicherheit in ihrem Leben. Alleinerziehende Mutter zu sein war für sie das Richtige, auch wenn es bedeutete, ihren Job zu kündigen und einen neuen zu suchen. Nun fuhr sie also zu Tommys Ranch, um ihm das alles zu sagen.
Sophie lebte außerhalb von Nashville, ganz in Tommys Nähe, auf einer Miniranch mit zwei Pferden und zwei Hunden, die sie immer bei Tommy unterbrachte, wenn sie mit ihm unterwegs war. Seine Ranch war riesig, und seine zahlreichen Angestellten kümmerten sich um alles. Tommy war mittlerweile so reich und berühmt wie sein legendärer Vater. Vielleicht sogar noch berühmter – und reicher. Und er hatte ihm den Rang als „Bad Boy des Country“ mehr als streitig gemacht, weil er auf der Bühne extrem Gas gab. Und weil er ein Frauenheld war, was Sophie überhaupt nicht gefiel.
Als sie die Privatstraße zu Tommys Anwesen hinauffuhr, seufzte sie erleichtert. Zum Glück waren keine Fans am Tor, um ihn an diesem Septembernachmittag zu belagern. Sie kündigte sich beim Sicherheitspersonal an und fuhr in die Einfahrt. Vorhin hatte sie Tommy eine Nachricht geschrieben und ihn über ihren Besuch informiert. Allerdings hatte sie nicht erwähnt, worüber sie mit ihm spreche