1.
Das war es also. Ich betrachtete mich im Spiegel. Die Augen verheult und rot, die Wimperntusche verlaufen. Meine Ehe am Ende. Aus und vorbei. Endgültig. Ich schniefte, und wieder schossen mir Tränen in die Augen. Hier stand ich nun, Anne Hansen, fünfunddreißig Jahre, drei Kinder und bald geschieden, im Badezimmer unseres Reihenmittelhauses in Köln-Nippes, das in naher Zukunft nicht mehr unser Zuhause sein würde, und war fürchterlich wütend.
Was war ich blöd gewesen. Ich hätte es doch wissen müssen. Aber nein, Alex hatte es geschafft, mich zu verwirren. An unserem zehnten Hochzeitstag hatte er mich zum Mittagessen insPauls eingeladen, ein schickes Restaurant, von dem gerade jeder in Köln sprach, weil dem Koch ein Michelin-Stern verliehen worden war. Selbst zum Heiratsantrag hatte er mich nicht in ein solch nobles Restaurant ausgeführt, da hatte ich mich schon gefragt, ob diese Einladung eine tiefere Bedeutung haben könnte. Würde er um einen Neuanfang bitten?
Eigentlich hatte ich es mir nicht vorstellen können und dazu war ich mir nicht sicher gewesen, ob ich ihm überhaupt eine neue Chance geben wollte. Und trotzdem war ich beim Friseur gewesen und hatte die naturblonden Haare frisch naturblond färben lassen, ein neues Kleid gekauft, organisiert, dass die Kinder nach der Schule zu Melli gingen, mir schnell ein kleines Schönheitsprogramm mit Gesichtsmaske gegönnt und die hohen, roten Riemchenpumps angezogen, die für mich eigentlich zu hoch waren, es heute aber unbedingt sein mussten.
Was dann geschah, lief später in Endlosschleife wie ein Film vor meinem inneren Auge ab, mein Film: Ich trat aus dem Haus, und alles stimmte: Das Kleid saß perfekt, die Haare fielen sanft gelockt über meine Schultern, und das Wetter machte Lust auf Frühsommer. Typisches Aprilwetter war gestern, heute schien die Sonne. Gut gelaunt radelte ich ins Belgische Viertel. Als ich mein Rad an einen Baum vormPauls anschloss, wusste ich, dass Alex schon auf mich warten würde, schließlich war er immer fünf Minuten zu früh. Jemand kam aus dem Lokal, ein Mann, recht groß, er hielt mir die Tür auf und lächelte mich an. »Danke schön.« Unsere Blicke trafen sich. Einen kleinen Moment hing ich an seinen tiefblauen Augen, die mich von oben bis unten musterten, was sich sehr gut anfühlte; seltsam, dass ich mich jetzt daran erinnerte. Mein Film lief weiter: Ich trat ins Lokal und sah