Essen ist mehr als satt werden
Eine erstaunliche Gabe besitzen die Wiener — sie schaffen sich für die Nahrungsaufnahme in geselligem Beisammensein immer wieder Orte, die über kurz oder lang Weltberühmtheit erlangen. Ob Kaffeehaus, Heuriger oder Beisl, sie alle sind einzigartige Institutionen und international längst Synonyme für die örtliche Gemütlichkeit. Und auffallend ist zudem, wie lustvoll, kalorienreich und vor allem wie oft man in Wien zu essen pflegt.
© Getty Images, München: ASAblanca/Josef Polleross
Über die Frage, ob man die Füllung denn nun mit oder ohne Brösel zubereitet, die Rosinen in Rum einlegt und ob man ihn mit Schlagobers oder Vanillesauce serviert, scheiden sich die Geister. Unbestritten jedoch ist der Status des Apfelstrudels als die Vorzeige-Mehlspeise der Wiener Küche – neben der Sachertorte natürlich und knapp gefolgt von Gugelhupf, Punschkrapfen und Kaiserschmarrn. Fixe Bestandteile jedes Rezepts sind, neben dem Strudelteig, Äpfel (am besten die Sorte Kronprinz Rudolf), Rosinen, Kristall-, Vanille- und Staubzucker, Biskuitbrösel, Butter, Zitronensaft und ein Ei. Connaisseure fordern übrigens mit einem Augenzwinkern, der Teig müsse beim Ausziehen so dünn werden, dass man durch ihn eine Zeitung lesen kann. Um tiefer in die Strudelmaterie einzudringen, können Sie vor Ort ein Seminar absolvieren, z. B. im Rahmen der Strudelshow in Schloss Schönbrunn (www.cafe-residenz.at) oder unterwww.meisslundschadn.at.
Die Wiener Küche
Das charakteristische Merkmal der sogenannten echten Wiener Küche ist, dass es sie in Wahrheit nicht gibt. Ein Blick auf die Speisekarte eines gutbürgerlichen Restaurants genügt, um zu erkennen, dass die Wurzeln der kulinarischen Ausdrücke in den verschiedenen Kronländern des ehemaligen Habsburgerreiches oder jenseits seiner Grenzen liegen, keineswegs jedoch in seinem Zentrum. Erst die legendären böhmischen Dienstmädeln, die ungarischen Barone, italienischen Arbeiter, osmanischen Händler und jüdischen Flüchtlinge brachten jene Ingredienzien mit in die Hauptstadt, die ihrer Küche heute ihre Unverwechselbarkeit verleihen.
Spezialitäten: Von Tafelspitz …
Manch hiesige Spezialität mag für Nicht-Wiener exotisch klingen, auch wenn das – gerne fälschlich mit der italienischen costoletta milanese assoziierte – Wiener Schnitzel international gewissermaßen in aller Munde ist. Auf den Speisekarten der Stadt finden sich u. a. folgende Klassiker: der Tafelspitz – ein Gustostück vom gekochten Rind, das in der Regel mit Schnittlauchsauce, Röstkartoffeln und Apfel- oder Semmelkren serviert wird; das Gulasch – ein ungarisch beeinflusstes Rindsragout mit Zwiebeln, edelsüßem Paprika und viel Saft; den Kaiserschmarrn – eine, glaubt man der Legende, von Kaiser Franz Joseph erfundene Nachspeise aus zerrissenem Pfannkuchenteig, serviert mit Zwetschgenröster, einer Art grobem Zwetschgenkompott.
Weitere legendäre Desserts sind: der Apfelstrudel, das Powidltatschkerl – eine böhmische Spezialität aus mit Pflaumenmus gefüllten Kartoffelteigtaschen, diverse Krapfen, allen voran in Form des mit Marmelade gefüllten ›Faschingskrapfen‹, sowie der Topfenstrudel, fabriziert aus hauchdünnem, mit Quark und Rosinen gefülltem Strudelteig.
© Laif, Köln: Cathrine Stukhard
Ein Tafelspitz, wie ihn auch der Kaiser liebte
… bis Backhendl und Palatschinken
Daneben beweisen jedoch noch viele weitere Spezialitäten und exotische Bezeichnungen, um welch kurioses Konglomerat aus Traditionen es sich beim hiesigen Speisensortiment handelt. Da gibt es Palatschinken (Pfannkuchen), Beuschel (kleingeschnittene Innereien in Sauce), Backhendl (Brathuhn), Faschiertes (Hackfleisch), Buchteln (Hefegebäck, meist mit Vanillesauce) oder auch das so schlichte wie schmackhafte Pfannengericht Eiernockerl. Als Einlage in der klassischen, klaren Rindsuppe dienen u. a. Grießnockerl, Leberknödel und Fritatten (Pfannkuchenstreifen), aber auch Panadl (Brotteig), Pofésen (mit Hirn gefüllte Semmelschnitten) oder Schöberl (aus einer Art salzigem Biskuit gebackene Plätzchen).
Beim Heurigen verzehrt man mit Vorliebe Stelzen (gegril